Spritzig-pointiert durch die Welt der Weine – Lesungen im „Vanille und Koriander“

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Zwei, die sich in der Kunst des Genusses gefunden haben: Tobias Böttcher (l.) und Stephan Dierichs. Beide veranstalten einmal im Monat Weinlesungen im „Vanille und Koriander“: Der eine kocht, der andere fabuliert.        Foto: Emma Werler

Es ist fast wie in der Toskana: In der Mitte steht ein langer Holztisch, an dem sich die Gäste dicht gedrängt und erwartungsfroh versammeln. Auch die kleinen Gartentische drum herum, das Sofa und die mit Kissen ausgelegten Fensterbretter sind besetzt. Vor den Besuchern funkelt der Rotwein in bauchigen Gläsern, in Regalen frohlocken liebevoll hergestellte Köstlichkeiten vom Kürbiskernspinatöl bis zur Apfel-Marzipan-Marmelade. Die meisten Zuschauer wissen, was sie an diesem kerzenbeschienenen Abend in dem Feinkostladen „Vanille und Koriander“ erwartet. Sie sind Eingeweihte des spritzig-vergnüglichen Duetts, das der schauspielernde Sommelier Stephan Dierichs und der ausgewiesene Küchenexperte Tobias Böttcher einmal im Monat anstimmen. Zum Auftakt ihres dritten Jahres in gemeinsamer Wein- und Whisky-Seligkeit geht es an diesem Freitag also in die Toskana: Der eine begibt sich mit zerzaustem Haar, Turnschuhen und ausgefranster Jeans auf die Reise, der andere im zurückhaltend-eleganten Schwarz. Beide offensichtlich mit sich im Einklang. Denn sie haben gefunden, wonach jeder sucht: Erfüllung.

Bevor Stephan Dierichs beginnt,  sein Expertenwissen in punkto Wein verführerisch und vollmundig in die Abendrunde perlen zu lassen, erinnert er sich an seine berufliche Laufbahn zu DDR-Zeiten, als er an den Theatern in Rostock und Magdeburg in erster Reihe spielte. „Ja, ich bin ein echter, ja sogar ein Diplomschauspieler, und ich habe groß gespielt“, kokettiert er etwas überschwänglich. Bis mit der Wende das öffentliche Interesse am Theater versiegte und für ihn die Selbstzweifel begannen. „Es ist deprimierend, wenn man zweieinhalb Stunden den Tellheim spielt, sich durch die Rolle ,quält‘ – und dann geht das Licht an und sechs paar Hände klatschen, – in einem Saal, wo 500 Leute reinpassen.“ Nach dieser deprimierenden Minna-von-Barnhelm-Vorstellung an den Freien Kammerspielen Magdeburg weckte er seine Frau und sagte entschlossen: „Ich beende das jetzt!“

Damit schlug er Anfang 30 mit Frau und den zwei kleinen Söhnen ein neues Kapitel im Abenteuer Leben auf. Stephan Dierichs schrieb in seinem Buch „Mit dem Traktor durch die Toskana“ auf, was ihm bei seinen ersten Klimmzügen als Neu-Weinbauer so widerfuhr, wie er sich schließlich zum versierten biologisch-dynamischen Kenner der Boden- und Traubenbeschaffenheit emporarbeitete und sich endlich wieder nützlich fühlte. Die Olivenzweige auf den Tischen nicken ihm bei seinen kurzweiligen Geschichten wie vertraute Begleiter zu. Ja, dieser Mann hat viel probiert, viel gelernt und weiß dieses Wissen in charmant-vereinnahmende Art weiterzugeben.

Zwischen seinen biografischen Exkursen durch das Göttliche Land, das viele Fragen klein werden und schließlich verschwinden ließ, erteilt er vielfach Rat an die Wein verkostenden Gäste.  So habe ich zum Beispiel gelernt, was die Kirchenfenster des Weines sind: Man schwenke den Rotwein langsam im Glas und lasse ihn zurück laufen. Wenn er vielfarbige „Kirchenfenster“ zurücklässt, hat man beim Kauf des Weines nicht viel falsch gemacht. Jeder sollte unbedingt seinen Weinhändler kennen – so der Tipp von Stephan Dierichs. „Allerdings gibt es in Potsdam viel zu wenige.“ Er hat seinen in der Karl-Liebknecht-Straße in Babelsberg gefunden. Gleich in der Nähe seines Tonstudios. Denn inzwischen ist das Abenteuer Toskana beendet – lockte ihn die Liebe auf neue Wege. Doch wie beim Wein hat es gerade der Abgang oft in sich: Und so lässt der Schauspieler diese Zeit zwischen Weinhängen und Olivenbäumen genießerisch nachklingen: als Autor, Vorleser, Sommelier und galanter Entertainer. Unter anderem einmal im Monat im „Vanille und Koriander“, dort wo die Kunst des Essens das ganze Jahr zuhause ist und es neben Weinlesungen auch Chansonabende und Kochkurse gibt.

„Essen ist ein Bedürfnis. Genießen eine Kunst“, steht wie ein Versprechen an der Wand. (he)

Die nächsten Weinlesungen mit Stephan Dierichs sind bereits ausverkauft. Plätze gibt es erst wieder für den 22. April. Dann geht es hinein in die Welt der spanischen Küche und Weine – angereichert mit neuen Dierichs-Geschichten. Anmeldungen sind möglich unter Tel. 0331-24344898.

Vanille und Koriander, Gutenbergstr. 28, in Potsdam

Weitere Informationen unter http://www.vanilleundkoriander.de

und http://www.weinlesung.de/tongeschichten.html

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