Spenden für einen Potsdamer „Nathan“

Gottlieb-Recha_Welcoming_Her_Father_1877
Als der Jude Nathan von einer Reise zurückkommt, erfährt er, dass seine Pflegetochter Recha von einem christlichen Tempelherrn aus dem Feuer seines brennenden Hauses gerettet worden ist. Zeichnung: Gottlieb 1877

In dieser Zeit des Auseinanderdriftens, in der wir erschrocken vor mordenden und brandschatzenden Hohlköpfen stehen, kommt diese Idee wie gerufen: „Nathan der Weise“ soll sprechen – hier aus Potsdam, in der Mitte der Bürger.

Anlässlich des 330. Jahrestages des Edikts von Potsdam möchte das Poetenpack gemeinsam mit dem Verein Neues Potsdamer Toleranzedikt das Stück im Oktober in der Französischen Kirche auf die Bühne bringen. Jugendliche verschiedener Religionen sollen darin mitwirken.

Um dieses Vorhaben umzusetzen, wurde eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Im Moment fehlen noch 3 679 Euro von insgesamt 62 702 Euro. In einem großen Endspurt soll es bis zum 31. August – also bis Montag – gelingen, diesen Betrag zusammenzubekommen.

Die Inszenierung möchte sich einmischen und mit den Zuschauern nach Antworten suchen auf die großen Fragen, die uns angesichts von Krieg und Flüchtlingsströmen bedrängen: Wie sieht es mit meiner eigenen Toleranz gegenüber Andersgläubigen aus? Wie komme ich mit Menschen anderer Kulturkreise in meiner Nachbarschaft aus?

Lessings Theaterstück „Nathan der Weise” steht mit der berühmten Ringparabel für die Kraft der Aufklärung.

Es gab am Potsdamer Hans Otto Theater immer wieder Aufführungen dieses Stücks: 1995 mit Roland Kuchenbuch als großartigem Nathan  oder 2006 mit Günter Junghans in der Titelrolle. Damals brachte es Eric-Uwe Laufenberg als Thriller der Gehetzten, Gejagten auf die Bühne, er siedelte das 230 Jahre alte dramatische Gedicht Lessings mitten im Pulverfass des Nah-Ost-Konflikts an.

Die Französische Kirche wäre ein trefflicher Ort für einen neuen Nathan, der zu uns und aus uns spricht. Dieser Knobelsdorff-Bau entstand aus dem kurfürstlichen Gedanken der Toleranz heraus, um den aus Frankreich vertriebenen Hugenotten ein schützendes Gemeindedach zu geben. Und dieses Kirchenrund ist auch für hautnahes Theater bestens geeignet, wie die aufwühlende Inszenierung von Tolstois „Krieg und Frieden“ vor zehn Jahren bewies.

Franz Fühmann sagte einmal: „Toleranz heißt ja vor allem, durch tieferes und besseres Verstehen des Anders zum tieferen Verstehen seiner selbst zu kommen, auch zum Entdecken seines eigenen Schattens, und das ist ein Prozess, der Tatkraft verlangt.“

Eine kleine Tat wäre es, sich an der Spendenaktion zu beteiligen – um den zündelnden Dumpfbacken von Nauen eine kraftvolle Stimme entgegenzusetzen. (he)

Alle Informationen dazu auf www.poetenpack.net und  www.spenden-sie-toleranz.de

 

 

2 Kommentare

  1. Nachdem der Berliner DT-Nathan schlechte Kritiken bekommen hat, weil Herr Kriegenburg den Saisonstart am renommierten Haus mit ebendiesem, wohl eher ins beliebig lächerliche gezogenen wenig glanzvoll gestaltet hat, kann es in Potsdam mit einen „neuen Nathan“ ja nur besser werden.
    Den Kulturseglern danke für immer wieder interessante Inspirationen – auch für Nicht-Potsdamer, denn gute Möhren und rote Beete gibt es sogar in der Hauptstadt!!!

    1. Schön, dass der Kultursegler auch in Berlin gesichtet wird. Und wir schauen, ob wir außer rote Bete und Möhren noch weiteres Gemüse für den Warenkorb der Hauptstadt ausfindig machen.

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