Eine Begegnung in Wort und Musik: Syrische und Potsdamer Künstler gestalten eine szenische Collage

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Am Karfreitag in der Nikolaikirche: Der syrische Sänger Razek-François Bitar möchte den Zuhörern in Deutschland einen Eindruck von dem kulturellen Reichtum seiner Heimatstadt Aleppo vermitteln.

Von unserem Gastautor Klaus Büstrin

Sie galt als die schönste, lebenswerteste und älteste Stadt Syriens: Aleppo. Der Inbegriff einer jahrtausendealten Geschichte, die sich in den Gebäuden der Altstadt und der Zitadelle über die Zeiten erhalten hatte, ist dem Erdboden gleichgemacht. Die meisten Menschen sind aus dieser Stadt geflohen, ja aus dem ganzen Land. Muslime und Christen greifen nach einem Zukunfts-Strohhalm in Europa.

Der syrische Sänger Razek-François Bitar, der seit mehreren Jahren in Berlin wohnt und hier als Countertenor und Gesangspädagoge seinen künstlerischen Mittelpunkt gefunden hat, sagt: „Wenn man heute über Syrien spricht, dann meist nur vom Elend, von Flüchtlingen und einem zerstörten Land. Das ist naheliegend. Worüber aber nicht gesprochen wird, ist die Jahrtausende alte Kultur, die zahlreichen Religionen und Sprachen, die dort entstanden sind. Den Menschen hier in Deutschland etwas davon zu erzählen und einen Eindruck von dem kulturellen Reichtum zu vermitteln, ist für mich und für meine Musikerkollegen ein großer Ansporn.“

Mit dem freien Operntheater I Confidenti und dem kammermusikalisch agierenden Ensemble Exxential Bach, die beide in Potsdam beheimatet sind, hat der aus Aleppo stammende Razek-François Bitar das Projekt „Bach – Passion – Aleppo“ entwickelt. Es wird am Karfreitag in der St. Nikolaikirche um 18 Uhr zur Aufführung kommen.

Die von dem Potsdamer Nikolaikantor Björn O.Wiede ausgewählten Arien, Choräle und Chöre aus Johann Sebastian Bachs Matthäus- und Johannespassion sowie der h-Moll-Messe sollen verinnerlichte Passionsgesänge syrischer Christen, zumeist aus dem 4. Jahrhundert nach Christus, gegenüber gestellt werden. Von Stationen der Leidensgeschichte Jesu wird berichtet, doch auch die meditativ-betrachtenden Teile sind wichtiger Bestandteil des musikalischen Geschehens. Daraus richtet Regisseur Jürgen Hinz eine szenische Collage vor einem Gemälde des Künstlers Bernd Guggenegger ein. In dem Bild ist trotz seiner Abstraktion ein geborstenes, aufklaffendes Kreuz, in der Nahsicht brennende, zerstörte Landschaften zu erkennen. „Zum Besonderen unseres Projekts gehört, dass der Zuhörer nicht nur die Musik unterschiedlicher Kulturkreise erlebt, sondern auch die Sprachen. Die bildhafte Sprache der deutschen barocken Dichter trifft hier auf die aramäische Sprache der syrischen Christen, die die Muttersprache Jesu ist.“

„So wie die Botschaft der Passion Christi den Menschen Rettung und Liebe zu geben vermag, so versuchen auch wir, Verständnis und Frieden durch die Musik zu vermitteln. Es wäre zu wünschen, dass wir den Flüchtlingen mit der Kunst Integration, und den Gastgebern ein Verständnis für unsere Kultur näherbringen können. Viele Flüchtlinge leben in Deutschland, ohne dass sie sich mit etwas Sinnvollem beschäftigen. Sie haben Sprachschwierigkeiten, keine Arbeit und Heimweh. Wann und wo immer sich die Möglichkeit bietet, wollen syrische Künstler und ich Zeichen setzen, damit das nicht passiert“, sagt der Razek-François Bitar, der selbst aus Aleppo stammt.

Die Aufführung findet am Karfreitag um 18 Uhr in der Potsdamer Nikolaikirche Am Alten Markt statt. Ticket-Hotline (030) 479 974 50. Die Karten kosten zwischen 13 und 34 Euro.

Weitere Informationen unter www.i-confidenti.de

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