Eine Fusion, die es in sich hat – Dellé und das Deutsche Filmorchester Babelsberg bringen den Nikolaisaal zum Toben

Dellé und das Babelsberger Filmorchester im Nikolaisaal

Es ist ein Wiedersehen der besonderen Art. Eine Rückkehr dorthin, wo der Grundstein für eine große Musikkarriere gelegt wurde. Denn Frank Dellé, Frontmann der Berliner Band Seeed, spielt an diesem Abend nicht zufällig in Potsdam. Nein, er hat hier während seines Studiums zum Toningenieur an der damaligen HFF, heute Filmuniversität Babelsberg, mehrere Jahre gelebt. „Dabei konnte ich mich kontinuierlich verbessern. Vom Studentenwohnheim in Golm, über ein Zimmer am Neuen Palais schaffte ich es schließlich bis ins damals gerade erst erbaute schöne Studentendorf nach Griebnitzsee“, erinnert sich der gebürtige Berliner, der damals trotz der Nähe zu seiner Heimatstadt bewusst nach Potsdam zog. Und nun ist er wieder hier. Steht auf der Bühne des Nikolaisaals – neben der Person, die schon vor 20 Jahren das Talent des jungen Studenten erkannte. Neben seinem damaligen Dozenten für Gehörbildung: Bernd Wefelmeyer, Dirigent des Deutschen Filmorchesters Babelsberg.

Es ist Wefelmeyer zu verdanken, dass dieses einmalige Konzert-Experiment stattfindet. 2015 besuchte der heute 77-Jährige eines der Dellé-Konzerte im Berliner Postbahnhof am Ostbahnhof und beschloss, die wichtigsten Lieder von beiden Solo-Alben für Band und Orchester zu arrangieren. Reggae und Klassik – kann das harmonieren? Das fragten sich vorab sicher auch einige Besucher dieses Abends im Nikolaisaal. Wer Auftritte von Seeed kennt und um das Anpassungsvermögen und die Experimentierfreude des Filmorchesters Babelsberg weiß, der konnte jedoch schon erahnen, dass daraus nur Großes entstehen kann. Und so war es! Bereits die ersten Klänge ziehen in den Bann. Doch es ist nicht nur das Ineinandergreifen der Genres, das die Spannung des Abends ausmacht, nein, es ist vor allem dieser charismatische Mann mit den locker hochgebundenen Dreadlocks, dem sympathischen und offenen Gesicht, der das Publikum sofort erreicht. Nicht nur beim Singen hängt man an den Lippen des Reggaekünstlers, auch zwischen den Songs verliert man sich in seinen Worten, die an den Frieden und das harmonische Miteinander appellieren und immer wieder deutlich machen wollen, dass es schlichtweg Glück ist, in eine Gesellschaft hineingeboren zu sein, wo Bildung selbstverständlich ist, wo niemand hungern oder Angst um sein Leben haben muss. Auch die Ballade Trisomy 21 geht unter die Haut – bei mir kommen Erinnerungen an die eigene Entbindung hoch, die Hoffnung, das Baby möge gesund sein. Auch Frank Dellé durchlebte diese Gedanken bei der schwierigen Geburt seines Sohnes. Sein Sohn kam ebenso wie meine Tochter gesund zur Welt. Welch‘ ein großes Glück! Und doch beschäftigt ihn die Frage weiter. „Was wäre gewesen, wenn…“ Sein Song ist die Antwort. Er hätte seinen Sohn genauso geliebt!

Neben diesen ernsten Themen überwiegen an diesem Abend aber doch das Fröhliche, das Ausgelassene und das Miteinander. Denn Frank Dellé schafft es, das Publikum zu einen. Er reißt es mit, kokettiert mit seinen Zuhörern, ist ganz nah dran, wenn er seine Geschichten erzählt. Vielleicht ist es diese Vertrautheit, die sich während des Konzertes ausbreitet, dieses wohlige Gefühl, das schließlich die Hemmungen über Bord wirft und die Zuhörer hochschnellen lässt.

Ich habe schon viele Konzerte im Nikolaisaal erlebt, bei einigen wurde vereinzelt auch mal am Rand getanzt. Doch das, was Freitagabend zu sehen war, hat mich doch überrascht. Der gesamte Nikolaisaal tobte! Die Menschen sprangen, jubelten und feierten die ausgelassene Stimmung. Selbst die, die vermutlich noch nie etwas von Seeed gehört hatten, und vielleicht nicht ausgemachte Reggae-Fans sind, ließen sich mitreißen von dieser Welle, die da durch den Saal fegte.

Lieber Dellé, bitte nimm uns ganz schnell wieder mit auf so eine unglaublich grandiose Reise! (so)


Dellé zum Nachhören (wenn auch „nur“ auf Platte und ohne Filmorchester):

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