Fliegende Braten, schiefe Töne und Fahrerflucht – Weihnachten in Familie

Drei Kultursegler, drei Weihnachtsgeschichten.

Dieses Jahr wird alles anders. Die Tradition bekommt ein Update. Der Schöpflöffel hat seine Dienste getan und wird bei Seite gelegt. Grund für sein Abservieren ist das vergangene Jahr. Als alles schief ging und die Kocherei aus dem Ruder lief.

Doch der Reihe nach: Seit Jahren, nein seit Jahrzehnten, kommen bei uns am Ersten Weihnachtsfeiertag zwei Enten auf den Tisch. Mal Flugenten, mal das normale Federvieh. Die Zubereitung ist so alt wie meine Mutter und ihre Mutter und ihre Mutter. Ohne Schnickschnack: Hausmannskost, einfach und herzhaft angerichtet. In den ausgehöhlten, eingesalzenen und gepfefferten Bäuchen werden Äpfel, Zwiebeln und Beifuß gesteckt – und ab in die Röhre. Die Hauptarbeit ist das Abschöpfen des Fettes. Doch nur dieses mühsame Prozedere führt dazu, dass die Soße gelingt und sich mit Mehl binden lässt. Eine Hausfrauenbinsenweisheit.

Im vergangenen Jahr habe ich das erste Mal opponiert und die Kinder um Schöpfhilfe gebeten. Mein Sohn, durchaus kochaffin, übernahm sogleich das Küchenzepter und füllte die Entenbauchlöcher mit ganz neuer Kreation. Wir sind ja offen für Alles. Und die nervige Löffelei schaffte er gleich mit ab. Warum das Fett nicht einfach abgießen? Also hob er die kochendheiße Pfanne samt Enten schräg an und … die Knusperbraunen verloren das Gleichgewicht.  Flugs landeten sie auf den Küchenfliesen und schwommen im See ihres eigenen Fettes.

Ich gebe zu: Wir haben sie trotzdem gegessen. Und es hat auch nicht zwischen den Zähnen geknirscht. Doch in diesem Jahr steht eine neue Küchenhilfe bereit: ein Fettscheider. Der heiße Tipp meiner Freundin Silke.

Also Ihr zwei Enten von Bauer Sengebusch aus Golm: der Ofen ist empfangsbereit, das technische Knowhow in Form einer kleinen Glaskanne startklar! (he)


Meine erste Klavierstunde hatte ich bereits im Kindergarten. Trotz einer Lehrerin, die mir Alpträume bescherte, bin ich den Tasten treu geblieben. 10 Jahre habe ich mich jeden Donnerstag in die Musikschule geschleppt, geplagt vom schlechten Gewissen, wieder nicht geübt zu haben. Leider war ich keine der Musikschüler, die auch ohne Übung begnadet ihr Instrument beherrschten, weil sie es im Blut hatten oder einfach ein Naturtalent waren. Nein, bei mir brauchten die Fortschritte ihre Zeit oder aber ich war so begeistert von einem Lied, dass ich es unbedingt spielen lernen wollte. „Für Elise“ oder den Titelsong von Titanic und Amélie habe ich so oft angestimmt, dass es irgendwann keiner mehr hören konnte. Außer meine Eltern. Sie waren meine dankbarsten Zuhörer. Vielleicht um mich zu motivieren oder aber weil sie überrascht waren, dass ich dem Schmuckstück im Wohnzimmer überhaupt ein paar schöne Töne entlocken konnte. 15 Jahre sind seit meiner letzten Klavierstunde vergangen. Das Instrument steht noch immer im Wohnzimmer meiner Eltern – sehr zur Freude der Enkel, die mit allen Extremitäten, die sie haben, darauf rumdonnern.

Ich kehre einmal im Jahr an meinen stimmvollen Kindheitsbegleiter zurück: an Weihnachten. Auch dieses Jahr werde ich mich wieder durch die Noten wühlen, die meine Lehrerin damals zum Teil sogar mit Hand aufzeichnete. „So viel Heimlichkeit“, „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ oder „Stille Nacht“ gehören seit 25 Jahren zu meinem Heiligabend. Jedes Jahr stolpere ich über die gleichen Stellen. Und jedes Jahr muss ich meine Familie darauf hinweisen, dass sie bei „Weihnachten, Weihnachten steht vor der Tür“ nicht so schnell singen sollen. Lebt Weihnachten nicht genau von diesen kleinen Ritualen…?! (so)


Rituale? Was braucht es mehr als Wiener mit Bautz’ner mittelscharf zum Kartoffelsalat!? Das aber ist wohl nicht der interessanteste Plot einer Kurzgeschichte.

Um es etwas spannender zu machen, erzähle ich lieber von Fahrerflucht – meiner weihnachtlichen Inkognito-Mission mit Adrenalingarantie. Als Vertreter des Bärtigen verteile ich seit Jahren am 24. Dezember abends Geschenke an Freunde der Familie – und zwar unter gewissen sportlichen Aspekten. Die Regeln: Das Geschenk wird heimlich vor der Tür drapiert und laut Alarm geschlagen. Aber man darf sich dabei nicht erwischen lassen – Weihnachtsmannehre!

Meist läuft der Coup so ab: Vor dem Haus der Beschenkten wird das Licht am Auto ausgemacht, im Schritttempo herangefahren, das Gefährt abfahrbereit in Position gebracht… nach Sturmklopfen/-klingeln geht’s im Vollsprint durch den Garten oder die Treppen hinunter und im Hechtsprung ins Auto zurück. Vollgas, weg! Hit and Run! Wie ein Bankraub, nur eben für den guten Zweck. Aber ähnlich aufregend. Denn manchmal liegt auch jemand auf der Lauer, um lautstark den Weihnachtsmanngehilfen zu enttarnen… (ro)

Ein Kommentar

  1. Liebe Kultursegler,
    die Weihnachtskurzgeschichten haben mich sehr amüsiert. Und wie immer freue ich mich, wenn wieder ein Beitrag von euch zwischen meinen Mails erscheint. Entspannte Feiertage und noch viele geglückte „Fahrerfluchten“ wünscht euch
    Maria

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