Helfer und Profiteur: Über das zwiespältige Verhältnis des Kunsthändlers Gurlitt zu dem Maler Beckmann

Als ich mit einer Freundin über die Beckmann-Ausstellung im Museum Barberini sprach, empfahl sie mir das Buch „Gurlitts Schatz“. Darin ginge es auch darum, wie der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt als Handlanger Hitlers dem als „entartet“ diffamierten Künstler Max Beckmann geholfen habe. Das bestätigte bei einem Presserundgang durch das „Beckmannsche Welttheater“ die Enkelin Beckmanns, Mayen Beckmann. Sie erinnerte daran, dass Gurlitt und auch der Kunsthändler Erhard Göpel an Hitler vorbei, Arbeiten Beckmanns gekauft hätten. „Zum Glück, sonst wäre Beckmann in seinem Exil verhungert“, sagte sie.

Mayen Beckmann wandte sich strikt gegen eine Schwarzweiß-Malerei in der Betrachtung der Vergangenheit. Das Buch „Gurlitts Schatz“ zeigt deutlich den Zwiespalt Gurlitts zwischen Hingabe zur modernen Kunst und seiner politischer Anbiederung, zwischen Angst, Gier und Lügen. Er, der Förderer vieler Künstler, profitierte durchaus von ihrer Not. So auch aus der von Max Beckmann, der 1937 Deutschland verließ, nachdem er aus seiner Professur entlassen und seine Werke prominent in der Münchener Schau “entarteter Kunst“ ausgestellt worden waren. Am Tag der Ausstellungseröffnung hatte Hitler eine fanatische Brandrede gehalten und „einen unerbittlichen Säuberungskrieg“ gegen undeutsche Kultur gefordert. Kurz darauf zog Beckmann mit seiner zweiten Frau „Quappi“ nach Amsterdam. „Zum Unglück für Beckmann und Tausende andere Emigranten aus Deutschland bot Amsterdam nach der Besetzung 1939 keinen Schutz vor den Nationalsozialisten. Der Markt für ,entartete Kunst‘ war zusammengebrochen, seine finanzielle Situation prekär. Beckmann war 60, der Militärdienst hing wie ein Damoklesschwert über ihm. Göpel, der wie Gurlitt früher Kunstkritiker und begeisterter Befürworter der zeitgenössischen Künstler gewesen war, hatte ihn zweimal vor der Einberufung gerettet. Aus Dankbarkeit hatte ihm Beckmann mehrere Werke geschenkt. Am 13. September 1944 notierte Beckmann in sein Tagebuch, Göpel und Gurlitt hätten ihm einen Besuch abgestattet. „Tragik Nichtverkaufen wollen“.

In dem Buch „Gurlitts Schatz. Hitlers Kunsthändler und sein geheimes Erbe“ von Catherine Hickley wird der Zwiespalt deutlich: Die verfemten Künstler waren auf der einen Seite froh, überhaupt noch verkaufen zu können. Andererseits war es ihnen nicht möglich, auf Augenhöhe zu entscheiden. Für Juden gestaltete sich diese Situation noch wesentlich drastischer. Zwei Tage nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 kündigten die Nationalsozialisten an, sie würden eine Milliarde Reichsmark „Judenbuße“ erheben: als Schadenersatz für die bei den Pogromen verursachten Schäden, die sie perfiderweise den Juden zur Last legten. Um diese „Judenbuße“ begleichen zu können, mussten viele Juden Werke aus ihren Kunstsammlungen verkaufen. Regierungsbeamte erfanden zudem Steuerschulden und rechtfertigten damit die Beschlagnahme von Sammlungen. Jüdische Kunstsammlungen wurden kurzerhand zu „Feindvermögen erklärt“.

Das im Czernin Verlag erschienene Buch „Gurlitts Schatz“ zieht tief hinein in die deutsche Geschichte und in Familienbiografien: in die der Gurlitts, aber auch in die der jüdischen Opfer. Gurlitt selbst war „Vierteljude“, was er als Grund mit angab, sich Hitler andienen zu müssen. Und wie ging sein Sohn Cornelius mit dem Erbe des 1956 verstorbenen Vaters und der von ihm beiseite geschafften Raubkunst um? Wie wuchs er auf, wie wurde er zu dem Einsiedler ohne jedes Unrechtsbewusstsein? Die englische Autorin Catherine Hickley hat für ihr Buch sehr viel Material zusammengetragen und es lebendig und zupackend in Geschichten verpackt: Geschichten über Verstrickungen, menschliche Fehltritte und Verblendungen. Nein, sie malt nicht schwarz-weiß, sondern untersucht die Grauzonen: vielfarbig pointiert und in klaren Konturen. Und mit größter Wertschätzung für die Kunst, die den Menschen so viel bedeutet.

Sie zeigt, wie Gurlitt, ein Freund der Dichter Ludwig Renn und Arnold Zweig, von Juden Kunstwerke abgepresst hat und oft auch Gier sein Handeln bestimmte. Wie  dieser Fanatiker an den Monuments Men vorbei agierte und nach den Entnazifizierungsprozessen wieder Fuß im Kunstbetrieb fasste. „In fünf Jahren organisierte Gurlitt unglaubliche 70 Ausstellungen“, nunmehr als Direktor des Düsseldorfer Kunstvereins. 1950 auch von Max Beckmann, im Todesjahr des in den USA verstorbenen Künstlers.

„Niemand kann die Millionen Menschen, die im Holocaust umkamen, wieder zum Leben erwecken. Raubkunst jedoch kann und sollte den Familien rückerstattet werden, den sie gestohlen wurde“, so Hickleys Plädoyer. Auf der ganzen Welt gebe es noch Kunstwerke in privaten und öffentlichen Sammlungen, die nicht ihren rechtmäßigen Besitzern rückerstattet worden waren: sie seien die letzten Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. he

„Gurlitts Schatz. Hitlers Kunsthändler und sein geheimes Erbe“, erschienen im Czernin Verlag Wien, Euro 24,90

Die Ausstellung Beckmanns Welttheater ist bis 10. Juni im Museum Barberini Potsdam zu sehen, es gibt einen Begleitkatalog, erschienen im Prestel Verlag, die Ausgabe im Museumsshop kostet 30 Euro.

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