Reise in den pulsierenden Osten – Die Musikfestspiele bringen Europa zum Klingen

P„Grenzenlos Europa!“ ist die Auftaktveranstaltung der diesjährigen Musikfestspiele Potsdam Sanssouci überschrieben. In die Friedenskirche wurde am vergangenen Freitag zu einem Konzert geladen, das eine erste Idee davon geben sollte, was die Gäste in den kommenden Tagen an musikalischer Vielfalt im Rahmen der Festspiele erleben dürfen. „Europa Galante“ spielten Musik von Komponisten, die als Einwanderer fern ihrer Heimat das europäische Musikleben des 18. Jahrhunderts bereicherten. Der Sachse Händel brachte den Angelsachsen die italiensiche Oper, den Italiener Boccherini zogs nach Spanien, den Franzosen Leclair nach Turin. Die Musiker unter Leitung des Violinisten Fabio Biondi brachten all die Weltenbürger im grenzüberschreitenden Stiltransfer zusammen.

Im Ehrenhof des Schloss Sanssouci ging es schließlich schwungvoll in den Osten. Allein die Kulisse machte Lust auf Reisen, sich Wegträumen. Angesichts der ausladenden Kolonnaden, die durch bunte Strahler in Szene gesetzt wurden und noch imposanter als sonst wirkten, erschien die Bühne zwischen den Säulen fast winzig. Doch die neun Musiker schafften es binnen weniger Minuten, den sonst kühl anmutenden Hof mit Klang zu erfüllen.

Unter dem Titel „Gypsy Baroque“ versucht „Il suonar parlante orchestra“ (Das sprechend spielende Orchester) an diesem lauen Freitagabend, den Geist des „fahrenden Volkes“ wieder aufleben zu lassen – mal melancholisch und tragend, dann wieder leichtfüßig, wild und mitreißend. Der „Zigeunermusik“ des 18. Jahrhunderts auf der Spur, wurden die Musiker um Vittorio Ghielmi ebenso in seltenen Manuskripten fündig wie bei den Meisterkomponisten, die sich von der Kunst der fahrenden Musikanten inspirieren ließen. Und so treffen Roma-Melodien auf Mozartharmonien und erzählen auf „Zigeunerart“ Geschichten vom Ankommen und Weiterziehen, vom Sich-Sorgen und Fröhlich sein. Dass Gypsie-Musik sich nicht immer wie die von Goran Bregovic anhört, weiß ich spätestens seit gestern. Denn Zigeunermusik des 18. Jahrhunderts war nicht nur wild und ungezügelt, sondern durchaus auch Musik für den Konzertsaal. Die Künstler des „Gypsy Baroque“ schafften es, diese Vielfalt widerzuspiegeln – ihre Wurzeln selbst sind in ganz Europa und darüber hinaus verteilt.

Wo, wenn nicht in Potsdam, Brennspiegel europäischer Geschichte, könnte man Europa besser zum Klingen bringen?!   (so)

Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, 8. bis 24. Juni 2018, Programm und Karten gibt es hier.

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