Sektlauniges Hüpfen über die Gräben der Selbstzweifel: eine kurzweilige Lesung in der Kulturgarage Werder

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Sie schlagen aus ihren einstigen Niederlagen im Bewerbungsmarathon kreatives Kapital: das Duo eve&tulipa, alias Julia Zimmermann und Clarissa Scheve .

Hier wird jeder mit Handschlag begrüßt: Hinter dem alten Metalltor in Werders Eisenbahnstraße 190 öffnet sich ein blüh-buntes Eldorado der Geselligkeit. Gabriele Zimmermann mit der wilden Lockenmähne hat im dicht umbauten Innenhof ihre kleine Musikschule angesiedelt. Während sie ihren Schülern die Flötentöne beibringt, können sich die wartenden Eltern an das überschäumende Blumenmeer in Töpfen, Kübeln, Trögen oder Wannen erfreuen. In den Sommermonaten lädt sie zudem im zweiten Jahr mit Tochter Julia in die Kulturgarage ein.

Die Alteingesessenen nehmen davon kaum Notiz: Sie bleiben lieber auf der eigenen Scholle. Neuzuzügler kommen schon eher mal vorbei. Allerdings spärlich. Die kalkgeweißte Garage mit ihren 25 Plätzen ist nicht zu knapp bemessen.

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Schnell ist man vorbeigefahren. Doch ein Anhalten lohnt!

Wir sind an diesem schwül-heißen Freitag die einzigen Neulinge – und werden wie alte Bekannte in die vertraute Mitte genommen. Es gibt nette Gespräche, aufgeschnittene süße Melone und knackige „Engerlinge“ – bevor das Theater beginnt. Eine szenische Lesung steht auf dem Programm.

Julia Zimmermann und ihre Freundin Clarissa Scheve nehmen auf dem kleinen Podest Platz und kehren zurück in die Zeit ihres größten Frustes: dem glücklosen Bewerbungsmarathon an Schauspielschulen mit „Anfang 20“. Was andere schamhaft verheimlichen, bringen die sympathischen jungen Frauen nun fast zehn Jahre später lustvoll auf die Bühne. Augenzwinkernd begegnen sie der einstigen Fratze des Selbstzweifels. Sie schlagen kreatives Kapital aus dem Rucksack der Pein. Ihre persönlichen Niederlagen spornten sie an, um die Ecke zu schauen, neue Wege zu gehen. Statt Schauspielerinnen wurden sie Theaterpädagoginnen – und sind inzwischen froh darüber.

Diese Marlene Zimt, die uns während der Aufführung als Hauptfigur begegnet, entstand aus den biografischen Notizen von Julia Zimmermann. Dramaturgisch verdichtet ist aus den akribischen Tagbucheintragungen diese zweiteilige Lesung geworden. Sie ist kurzweilig, ohne Anspruch auf große Literatur. Aber gerade auch dieses Unvollkommene, dieses Authentische, macht den Reiz des Abends aus. Es wird improvisiert, wenn der Finger im Manuskript mal verrutscht oder die Instrumente nicht so recht zusammen kommen. Weiter geht’s: sektlaunig, schwungvoll, gern auch berlinernd. Unter den Kronleuchtern aus silberglänzenden Fahrradspeichen und dem gemalten Ölschinken geht der Zuschauer mit auf Zitterpartie des Vorsprechens in Leipzig, Hannover, Berlin … Die Zweifel und Zweifler im heimischen Potsdam, wo „Marlene“ auf dem Theaterschiff ihre Liebe zur Bühne entdeckte, mehren sich von Mal zu Mal.

Am Freitag geht es in Teil 2 der Lesung. „Ein wiederholtes Kommen legen wir Ihnen ans Herz, da es sich um zwei unterschiedliche Programme handelt. Die Lesungen sind jedoch auch unabhängig voneinander besuchbar“, heißt es in der Ankündigung von eve&tulipa, wie sich Julia Zimmermann und Clarissa Scheve als Duo nennen. Nehmen Sie Platz in dieser besonderen Garage: Es erwartet Sie ein gesellig-kurzweiliger Abend. (he)

Freitag, 1. Juli, 19:30 Uhr „Anfang 20“, Werder, Eisenbahnstr. 190 Eintritt: 7,50 € / 5,00 €

Die Kulturgarage hat bis zum 10. Juli geöffnet. Am 3. Juli um 18 Uhr gibt es ein Mitsingeabend mit instrumentaler Begleitung!

Weiteres unter www.kulturgarage.wordpress.com

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