Nachdem ich aus dem Kino kam, griff ich sofort zur „Schachnovelle“. Es muss Jahrzehnte zurückliegen, als ich sie gelesen hatte. Jetzt drängte es mich, dieses vergilbte Reclam-Heftchen mit dem letzten, 1942 geschriebenen Werk Stefan Zweigs nochmal zur Hand zu nehmen. Grund war dieser überaus eindringliche, nachwirkende Film über ihn: „Vor der Morgenröte“ von Regisseurin Maria Schrader.
Vor etwa zwei Wochen habe ich diese in Episoden erzählte biografische Annäherung im Thalia gesehen und sie geht mir nicht aus dem Kopf. Immer wieder spülen sich Bilder nach oben. Ich sehe diesen genialen Schriftsteller – in der schauspielerischen Gestalt von Josef Hader – auf dem Balkon stehen und an der Seite eines Mitexilanten in die üppige Natur Brasiliens blicken. Saftiges Grün, wohin das Auge schaut, und buntgefiederte Papageien mittendrin. Eine Idylle. Und doch erreicht sie nicht das Herz dieser beiden Männer. Zweig sehnt sich zurück in die Heimat, nach Österreich. Doch die ist von den Nazis besetzt. Er spricht es nicht aus – doch der Zuschauer fühlt seine innere Leere. Und ganz schnell sind wir in Gedanken mitten drin im Heute. In dem Leben der jetzt Geflüchteten, die wie Zweig vor 70 Jahren vor dem Terror Reißausnehmen und ihr Herz in der Heimat lassen.