Doch der Argwohn bleibt: „Geächtet“ erzählt am HOT über Vorurteile, Religion und Rassismus

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Theater mit Tiefgang: Gespielt von Melanie Straub, Jon-Kaare Koppe, Philipp Mauritz und Aimee Breidbach (v.l.)

Das Theater ist in aller Munde. Allerdings nicht wegen seiner Inszenierungen. Es geht um Querelen hinter der Bühne. Der Intendant versteht es offensichtlich nicht, seine Mannschaft hinter sich zu einen. Statt sie mitzunehmen im Ringen um zugkräftige Bühnenstoffe, Publikumsgunst und Zuschauerzahlen, fühlen sich die Schauspieler übergangen und stehengelassen in ihrer Hoffnung auf Mitsprache. Ihr Vorwurf, der in einem Brief vor zwei Jahren seinen Niederschlag fand, heißt zusammengefasst: zu wenig Demokratie.

Das Ganze wurde jüngst in der Lokalpresse ausgiebig beleuchtet und wir wollen nicht im Nachhinein ins langsam verstummende Horn der Aufständigen oder des eingeschnappten Intendanten noch laue Luft blasen. Der Oberbürgermeister und seine fachkundigen Berater werden entscheiden müssen, wie lange die Ära Wellemeyer noch anhält. Offensichtlich geht es um eine breitgefächerte Antistimmung gegen den obersten Spielherren, obwohl er seiner Crew eigene Spielwiesen in der Reihe „nachtboulevard“ immer wieder einräumte. Sie muss also tiefer liegen, diese Eisschicht. Das zu bewerten, ist von außen schwierig. Viele wissen indes aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn Chefs für Kälte und Erstarrung im Betriebsklima sorgen.

Auf der Bühne ist es den Schauspielern indes nicht anzumerken, ob und wie heiß es brodelt unter den Brettern, die die Welt bedeuten. In der Inszenierung „Verdächtig“, die ich am Tag der Einheit in einem recht gut gefüllten Haus erleben konnte, gab es einmal mehr ein kraftvoll und differenziert aufspielendes Ensemble, mit dem das Theater immer wieder punkten kann.

Dass Melanie Straub und ihr Mann Wolfgang Vogler das HOT zum Spielzeitende verlassen, wurde auch eben erst in der Berichterstattung um die rumorende Hauspolitik publik. Damit beenden zwei der meist beschäftigten Protagonisten ihr Potsdamer Engagement. Aber so ist Theater: Willkommen und Abschied. Dennoch ist es ein Verlust, gerade bei Melanie Straub, diese ätherische, zarte, wilde, verletzliche Erscheinung mit der so vereinnahmenden Bühnenpräsenz. Auch ihre Emily, die sie in „Verdächtig“ spielt, ist eine akzentuierte Charakterrolle, obwohl dieses vielschichtige, preisgekrönte Stück von Ayad Akhtar nicht unbedingt leicht zu knacken ist.

Die Inszenierung von Elias Perrig ließ sich anfangs jedenfalls recht steif an. Die klugen Dialoge in dem steril-weißen Bühnenquadrat mit den sieben verstreut aufgestellten Kerzen wirkten mitunter wie eine Vorlesung über Licht und Schatten des Islams und des Korans und um das mögliche Miteinander von Religionen. Über weite Strecken wurde mehr theoretisiert als gespielt. Erst als Jon-Kaare Koppe als erfolgreicher New Yorker Anwalt Amir den Boden unter seiner Karriereleiter verliert, beginnt die Inszenierung nach dem Publikum zu greifen. Die scheinbar heile Welt von Ehe und Job löst sich auf in Fetzen würdeloser Gewalt und Zwietracht. Der leiseste Zweifel genügte, um heimliche Vorurteile nach außen zu kehren. Amir, der seine eigenen muslimischen Wurzeln gekappt hat, wird sofort selbst verdächtigt, als er mit einem undurchsichtigen Imam Kontakt aufnimmt. Trotz aller Anpassung und einem Arbeitseifer bis zum Umfallen schaffte er es nicht, sich wirklich in der westlichen Welt zu verankern. Er ist angreifbar, weil er für die anderen ein Fremder bleibt.
Zum Schluss sitzt man wie erstarrt in seinem Theaterstuhl: Hier gibt es kein Happyend, hier werden Fragen kompromisslos aufgeworfen und wir sind wieder mitten drin in dieser Welt von Hass und Abschottung. Nur dass sie durch diesen Abend noch klarer und hintergründiger hervortritt.
Und wenige Hundert Meter weiter wurde derweil ein Schweinekopf vor die Potsdamer Moschee gelegt. (he)
Nächste Vorstellung von „Geächtet“ am Mittwoch, den 12. Oktober um 19.30 Uhr. Weitere Infos unter www.hansottotheaer.de

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