Die erste Veränderung ist schon von weitem zu sehen, die zweite folgt auf dem Fuß. Im luftigen Außen-Entree des Thalias sind zwischen der verglasten Kinoreklame Tische aufgestellt. Die abendlichen Gäste schlürfen genüsslich ihren Aperol und ihr Bierchen, während sich andere durch die ursprüngliche Ausgangstür Eingang zur Kinokasse verschaffen. Verkehrte Welt.
Und doch fühlt sie sich genau richtig an in dieser Zeit. Es gibt Einbahnstraßen, die nun eben dazu gehören. Wir folgen den witzigen 1,5-Meter-Abstands-Markierungen auf dem Fußboden mit Filmtiteln wie „Das Murmeltier lässt grüßen“ oder „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ und können am Ende der „Sicherheitsschleuse“ wie immer an der Foyerkasse Popcorn und Getränke kaufen. Mit Mundschutz – versteht sich. Dass wir ihn während der Vorstellung abnehmen dürfen, war mir vorher schon bewusst. Schließlich hatte ich mich über die neuen Gepflogenheiten per Internet informiert. Und da ich gerade eine längere Zugfahrt mit Maske hinter mir hatte, wäre ich wahrscheinlich auch nicht ins Kino gegangen, wenn ich ihn während der Vorstellung hätte tragen müssen. Selbst nicht für „Undine“. Wie oft verneige ich mich in diesen Tagen innerlich vor Menschen, die in ihrem Dienst stundenlang hinter dieser textilen Viren-Abschottung ihr Handwerk verrichten müssen. Ich kann indes nach ein paar Minuten wieder frei atmen: im Kinosaal 3 zwischen rund 30 Mitguckern. Der nette Kinokartenkontrolleur fegt nicht nur das ausgekippte Popcorn aus der übervollen Tüte meines Mannes freundlich auf die Schippe, er hat auch ein wachsames Auge auf die freie Platzwahl der Pärchen. Ganz von allein suchen sie sich ihren Sitz mit entsprechendem Abstand zu den anderen. Es sind nur leichte Korrekturen vom Kino-„Dirigenten“ nötig – und schon sitzen alle in Dreiecksform – wie in dem Versteckspiellied „Hinter mir und vor mir gibt es nicht, ich komme“. In diesem Fall kommt nun endlich Undine – gespielt von der herausragenden Paula Beer und dem nicht minder blutvollen Franz Rogowski. Sie verkörpern dieses Märchen von der unabdingbaren Liebe bis in den Tod einfach nur märchenhaft. Man muss sich natürlich auf diese so langsame Erzählweise, dieses Gleiten durch Fiktion, Urtriebe und archaische Werte einlassen. Es ist ein atmosphärisch dichtes Mäandern zwischen Unterwasserwelt und Großstadtgetriebe. Mein Mann, der aufgrund einer Empfehlung von Kino-King Knut diesen Film vorschlug, schaute indes bald gelangweilt auf seine Uhr und rechnet akribisch aus, dass nur 40 Prozent der Plätze verkauft worden sind. Es ist wohl kein Zufall, dass vor allem Frauen in der Vorstellung sind. Doch der nächste Film kommt bestimmt – endlich wieder zurückgelehnt in unserem Lieblingskinosessel. (he)
Wer sich auf das klassische Kino-Erlebnis noch nicht so richtig einlassen kann, der fühlt sich vielleicht open air besser aufgehoben. In Kooperation mit dem Thalia zeigt das Waschhaus bereits seit gut einem Monat ausgewählte Filme auf seinem Veranstaltungshof. Auch hier gelten besondere Regeln. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist am Einlass, an der Bar und auf den Toiletten gefragt. Ansonsten sind die Sitzreihen entzerrt und in Zweier- und Dreier-Grüppchen angeordnet. Auch die begehrten Liegestühle kommen wieder zum Einsatz. Das luftige Erlebnis ist also auch für vorsichtige Cineasten in der heutigen Zeit eine gute Alternative. Drücken wir die Daumen, dass du nun auch die Temperaturen nach oben krabbeln und wir „Die Känguru-Chroniken“ am Freitag und Samstag ohne dicke Wolldecke oder Regenschirm genießen können.
Nicht verpassen sollte man zudem den südkoreanischen Film „Parasite“ am 22. Juli. Der Berlinale- und Oscar-Abräumer ist witzig und verstörend zugleich. Die noch immer in Südkorea bestehenden Klassenkämpfe werden anhand der Geschichte von Familie Kim erzählt, die sich mit Trickserei und großem Mannschaftsgeist von einem stinkenden Kellerloch in die Welt der Reichen mogelt. Doch der Plan gerät aus den Fugen und das Grinsen vergeht einem schon bald … (so)
Mehr Infos zum Waschhaus-Programm und Tickets gibt es online hier.
Wie schon in den letzten Jahren gibt es auch in Potsdam-West wieder ein kleines, feines Open-Air-Kinoprogramm im nunmehr „Lottenhof“ genannten Nachbarschaftsgarten in der Geschwister-Scholl-Straße. Bis Mitte September kommen an jedem Freitag neben einigen bekannteren Filmen („Der Vorname“, „Rocketman“) vor allem ausgewählte Filme der letzten Jahre abseits des großen Kino-Mainstreams auf die Leinwand. Das Ganze angereichert mit einem kleinen Getränke- und Snackangebot und natürlich ebenfalls im Einvernehmen mit atuellen Hygienevorgaben.
Das Programm des Lottenhofs findet sich hier