Bei uns wird ständig und immerzu gelesen und auch meine kleine Tochter kann sich an Bilderbüchern gar nicht satt genug sehen. Ich kann nicht sagen, dass mich diese Leidenschaft stören würde. Auch ich genieße es, wenn ich mich nach der Arbeit mit den beiden Mädels auf der Couch lümmele und wir uns in andere Welten mitnehmen lassen – zu Mäusen, die Löwen bezwingen, zu den Olchis auf die Müllkippe oder zum Neinhorn und dem Wasbär.
Auch zu Weihnachten wird es wieder Nachschub für das Bücherregal geben. Wir haben ein paar Lektüretipps für Kinder und Enkelkinder aufgeschrieben, falls wir nicht die einzigen sind, die noch nicht alle Geschenke zusammen haben …
Christian Berg: Rumpelröschen und die 13. Fee
Es ist ein buntes Potpourri an Märchenzitaten. Mitten drin: das Rumpelröschen, ein Fee. Richtig, denn warum sollte es nur Feenmädchen geben? Rumpelröschen ist der Auserwählte, der das Dornröschen nach 100 Jahren, 3 Monaten und 3 Tagen endlichen aus seinem tiefen Schlaf befreien soll. Schon über ein Jahr hatte kein Prinz mehr versucht, sich den Weg durch die Hecken zu bahnen. Und so macht sich das Rumpelröschen auf, den Fluch zu brechen. An seiner Seite: sein Freund, das Einhorn und andere Wegbegleiter.
Für Kinder ist das Buch eine fantastische Reise in die Märchenwelt. Viele bekannte Figuren tummeln sich hier. Der spielerische Umgang mit den Wörtern sorgt für ein unterhaltsames Vorleseerlebnis. Die zurückhaltenden und liebevollen Illustrationen lockern die Lektüre für die Kinder auf. (so)
Vorlesebuch für Kinder ab 4 Jahren, erschienen im Esslinger Verlag, 12,99 Euro.
Juli Zeh: „Alle Jahre wieder“
Juli Zeh ist bekannt für ihre gesellschaftskritischen Bücher, die den Leser häufig zu den menschlichen Abgründen führen. Verstörend und überwältigend zugleich empfand ich „Nullzeit“, gebannt las ich „Unterleuten“. Dass die Bestsellerautorin Juli Zeh auch Kinderbücher schreibt, wusste ich nicht. Kürzlich erschien ihr Buch „Alle Jahre wieder“, passend zur Weihnachtszeit. Ich nehme mal so viel vorweg: Man kann es guten Gewissens seinen Kindern vorlesen. Es ist natürlich keine klassische, happy shiny Weihnachtsgeschichte. Aber die Illusion des Christkindes bleibt immerhin bestehen. Denn bei Juli Zeh, die mit ihrer Familie im Havelland wohnt, kommt nicht der Weihnachtsmann, sondern das Christkind. Doch tatsächlich warten in Zehs Geschichte die Zwillinge Lena und Josh am Heiligabend vergebens auf ihre Geschenke. Auch am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag – nichts. Dabei wartet Lena so sehnsüchtig auf ihr iPhone und Josh auf das Mountainbike. Ein verletzter Vogel in der Schutzwarte des Vaters weckt plötzlich ihr Interesse. Es beginnt eine fantasievolle Reise einer Gruppe Kinder, die alles dafür tut, das Christkind wieder auferstehen zu lassen und dabei merkt, dass diese gemeinsame Zeit fast schöner ist als die Geschenke selbst, auf die sie doch so hinfieberte. (so)
Zum Vorlesen ab 5 Jahren oder zum Selberlesen von ca. 8 bis 10 Jahren. Erschienen im Carlsen Verlag, 12 Euro.
Margit Auer: Die Schule der magischen Tiere / Band 11 „Wilder, wilder Wald“
Es ist bereits der elfte Band aus der Reihe „Die Schule der magischen Tiere“, der kürzlich erschien. Das spricht wohl für sich. Nach nur wenigen Seiten haben auch uns die magischen Tiere in ihren Bann gezogen. Kein Wunder. Sie geben ihren Menschenfreunden Kraft, sind ihnen verlässliche Zuhörer, schenken ihnen Liebe. Wer hätte so einen treuen Begleiter nicht gern?
Elisa ist zwar auch im Geheim-Bund der magischen Schule, doch noch muss sie auf ihr seelenverwandtes Tier warten. Und das tut sie – Tag für Tag. Gerade jetzt, wo es zu Hause dicke Luft gibt, könnte sie einen Freund so dringend gebrauchen. Bei einem Klassenausflug in den Wald kommt sie ihrem Wunsch immer näher …
Wir verschlingen die Seiten im Nu und sind dankbar für den kleinen Ausflug in diese Fantasiewelt, die mit viel Herz und Gefühl beschrieben wird. (so)
Die Bücher eignen sich zum Vorlesen ab ca. 6 Jahre oder für Schulkinder zum Selberlesen ab 8 Jahren. Erschienen im Carlsen Verlag, 12 Euro.
Alice Hemming: Der Blätterdieb
Emsiges Treiben in unserem Garten. Zwei Eichhörnchen springen die Bäume rauf und runter. Sie schnappen sich die wenigen Walnüsse, die sie noch finden können und sichern sich damit ihre Nahrung für den Winter. Im Kinderbuch hält das Eichhörnchen nicht die Nuss auf Trab, sondern „Der Blätterdieb“. Ein Blatt nach dem anderen verschwindet. Wer hat sie nur geklaut? Der Vogel weiß Rat.
Das Buch lebt von den Illustrationen Nicola Slaters, die durch das größere Format erst richtig zur Geltung kommen. Auch das Spiel mit der Typografie und die kleinen Details lassen die Lektüre lebendig werden. Es ist zwar ein Herbstbuch, aber passt wunderbar zu den alltäglichen Beobachtungen unserer Gartenbesucher. (so)
Vorlesebuch ab ca. 3 Jahren, erschienen im Baumhaus Verlag, 14,90 Euro.
Feenhafte Zungenbrecher
Natürlich kennt jeder den Zungenbrecher vom Cottbuser Postkutscher, der seinen Cottbuser Postkutschkasten putzt. Viel schöner aber noch ist die melodisch sanfte, nicht enden-wollende Wortkaskade von der Schneeseekleerehfee, die Schneeseekleerehfeezehweh bekommt. Schon beim Schreiben verhaspeln sich die Buchstaben. Erdacht hat sie der großartige Sprachdompteur Franz Fühmann vor gut 40 Jahren. Er schrieb seine Geschichte „Am Schneesee“ für das Sprachspielbuch „Die dampfende Hälse der Pferde im Turm von Babel“, eine literarische Kostbarkeit, die ich mir gleich nochmal aus dem Regal ziehe. Fast versteckt reiht sich dort auf Seite 13 der Schneesee in die bunt zusammengeknüpften Fantasiegirlanden ein. Nun hat der Hinstorff Verlag der wundersamen Geschichte vom feenhaften Drehzehweh, der nur von der freundlichen Heckenhexe mit den Hackenhaxen geheilt werden kann, seinen Soloauftritt bereitet: hexisch einfühlsam und keck gestaltet von Kristina Andres, die nahe am See wohnt – aber wohl ohne Schnee und Fee. Die Märchenmalerin lässt es tüchtig brodeln und dampfen in der Heckenhexenküche, in der am Ende das Drehzehweh geheilt und ganz nebenbei ein Wort mit 16 „e“ aus dem Schneeseekleerehfeezehwehteekessel fällt. Diese lustvoll poetische Hinterlassenschaft des 1984 verstorbenen Dichters bereitet beim Vorlesen größte Freude, verlangt aber auch höchste Konzentration – will man sich vor den Enkeln nicht blamieren.
Wer den Autor selbst einmal vorlesend erleben möchte, der kann gleich dazu das Hörspiel „Anna, genannt Humpelhexe“ in seinen Einkaufskorb legen. Rasant und mit warmer Stimme erzählt Franz Fühmann 1981 in einer Aufnahme des Rundfunks der DDR von der kleinen Anna, die sich trotz ihres kürzeren Beins nicht abhängen lässt. Wenn der Meisterdichter das Schreiben für die Großen oft auch als grässliche Plage empfand (kein Wunder bei den ihn argusäugig überwachenden Parteiobristen), so gestaltete sich das Schreiben für Kinder als wahre Wohltat. Wohl an: Hinein ins rabenschwarze Hexenvergnügen des unvergessenen Wortakrobaten. (he)
Das Hörspiel „Anna, genannt Humpelhexe“ kostet 9,90 Euro, das Buch „Am Schneesee“ 14,99 Euro, „Die dampfende Hälse der Pferde im Turm von Babel“ 22 Euro, alle drei Titel sind im Hinstorff Verlag erschienen.
Ganz nach dem Motto von „Support you local book dealer“ befürworten natürlich auch wir den Buchkauf beim Buchhändler eures Vertrauens. Die meisten Buchläden sind trotz des Lockdowns geöffnet.
In Potsdams Norden gibt es „Bornstedts kleine Bücherstube“ und ja, der Laden ist klein und ja, man hat das Gefühl in einer Stube zu sein. Von Tisch zu Regal eröffnen sich große und kleine liebevolle Anpreisungen und take aways. Wenn man gezielt seine Wunschliste loswerden will ist man gut aufgehoben und versorgt bei den Betreiberinnen. Alles was Amazon und Co versprechen, schaffen die auch und es dauert keinen Tag länger und ist keinen Taler teurer. Überzeugt euch selbst und unterstützt unsere lokalen LeseStoffDealer!