Wenn Solo Sunny mit langem Ohrring und Glitzerhaarnetz ihr „Blue – the dawn is growing blue“ ins Mikro haucht, ist das von einer Kraft und Melancholie, der den Atem stocken lässt. Auch jetzt, wenn ich mir 35 Jahre nach der Premiere das Lied auf Youtube noch einmal anhöre, und in dieses zugeschminkte und doch offene Gesicht von Sunny schaue, ergreift es mich. Da singt sich eine junge Frau das Herz aus der Seele, und die Gäste in der Bar schlingen abgestumpft weiter ihre Schnitzel in sich rein. Lebenslust prallt auf Lebensfrust. „Solo Sunny“, der am kommenden Mittwoch bei einem Konrad-Wolf-Erinnerungsabend noch einmal im Filmmuseum läuft, gehört für mich zu den ganz großen Filmen der DEFA: mit einer Renate Krößner, die dieser Sunny alles einverleibte, was Jugend ausmacht: Lust, Liebe, Wut, Aufbegehren, Anderssein. Und das trotz der kollektiven Ausrichtung der DDR.
Das war mutig, das war Gänsehaut! Und zudem noch heiter. Ein echter Wolfgang Kohlhaase eben. Mit Dialogen, die kurz und pointiert den Kern treffen. Und mit Bildern, die die ganze Tristesse und auch Komik der grauen DDR vor Augen führen: die frustrierenden Brigadefeiern im Klubhaus-Charme, das lichtlos zusammen gedrängte Wohnen in Berliner Hinterhäusern. Sunny gehörte zu den Außenseitern. Sie traute sich, aus der Produktion auszusteigen, um als Sängerin Karriere zu machen. Sie wehrt sich auch, als sie in ihrer Band dieselbe Gängelung erlebt. Sonny belässt es nicht bei der ständig wiederholten Floskel ihrer Bandkollegen: „Man müsste ganz andere Musik machen.“ Sie tut es.
Unvergessen ist diese einzigartige Liebesszene zwischen der im Moment lebenden wilden Sunny und dem introvertierten, über den Tod dissertierenden Diplom-Philosophen, der sich hinter meterhoch aufgetürmten Büchern einigelt, die Sunny zum Einsturz bringt. Dieser ungelenke Außenseiter, gespielt von Alexander Lang, der ebenso wie Renate Krößner die DDR verließ und in den Westen ging.
Renate Krößner und Wolfgang Kohlhaase sind bei dem Filmabend mit dabei, und sie werden in der Moderation von Knut Elstermann sicher viel zu erzählen haben, was sich damals, 1980, hinter den Filmkulissen abspielte. „Solo Sunny“, gedreht von Konrad Wolf und Wolfgang Kohlhaase als Co-Regisseur und Drehbuchautor, war ein seltener Lichtblick. Er konnte nur so entstehen, weil es eine Weisung an die DEFA-Filmschaffenden gab, in ihren Werken mehr den Alltag der Bürger zu berücksichtigen – auch in seinen schwierigen Aspekten. Ein laues Lüftchen wehte durch die Studios. Das DDR-Publikum wusste natürlich nichts über die Hintergründe. Es genoss einfach diesen Film in seiner traurig-heiteren Melange und der ungewohnten Provokation. (he)
Solo Sunny wird gezeigt anlässlich eines Abends zum 90. Geburtstag von Konrad Wolf, am Mittwoch, den 21. Oktober.
Das Programm:
19 Uhr
Zwischen Sanftmut und Gewalt, zwischen Folklore und Moderne: Eine Klang-Collage aus Filmen von Konrad Wolf mit Studierenden der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf
anschließend Schauspielerein Renate Krößner und Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase im Gespräch mit Filmjournalist Knut Elstermann
21 Uhr
Vorführung: Solo Sunny, DDR, 1980
Eintritt: 6 Euro / erm. 5 Euro
Sehr geehrte Kollegen,
sehen Sie sich doch bitte mal das Bild und die Unterschrift an. Da hat sich Konrad Wolf in Lew Homann verwandelt.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Schwarze