An manchen Tagen wirkt es erdenschwer und sommersatt. Das heitere Sonnengelb geht über in das matte Gold des Herbstes. Wie oft bin ich wohl schon mit meinem gelben Wunder in der Wohnung umgezogen, um es ins rechte Licht zu setzen, ihm den besten Auftritt zu gewähren?! Es ist immer wieder voller Überraschungen, dieses gemalte Farbspiel von Barbara Raetsch. Ich entdeckte es vor gut zehn Jahren in einer Ausstellung im Museumshaus „Im Güldenen Arm“, dort, wo ab Sonntag erneut die Bilder der Potsdamer Künstlerin zu sehen sind: diesmal anlässlich ihren bevorstehenden 80. Geburtstages.
Ihre gelbe Phase ist längst vorüber und ging über in eine rote, dann in eine grellbunte. Derzeit sind es orangerote Kreuze, die ihre Bildhimmel teilen: Kranarme an Potsdams Horizont. Immer wieder hat sich die Malerin mit ihrer Stadt beschäftigt: in ihrem Verharren, Verfall und Aufbruch – nicht detailbesessen, sondern immer mit weitem Atem. Oft zog es sie auch hinaus: ins Havelland, in die Mohn- und Rapsfelder am Wegesrand. Damals noch mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Karl Raetsch. Heute trägt sie die Welt in sich und malt aus dem Tank der Erinnerung: in ihrer hellen Wohnung am Kanal.
Mein Goldgelbling ist wie ein Magnet. Er verstrickt mich in seiner sich ständig verändernden Farbmelange immer wieder in neue Seh-Abenteuer. Ich schaue auf die zarte Linie am Horizont, verharre bei den geduckten Häusern in der Ferne. Oder sind es Schiffe? Einer unserer Gäste sah ein Meer darin, ein anderer ein Kornfeld. Jeder spiegelt seine eigene Welt. Das ist Kunst: Sie umgarnt wie ein Kobold unsere Empfindungen und lässt das Auge tanzen – mal heiter-ausgelassen, mal wolkenverhangen.
In meinem Bild finden sich auch die Freunde wieder. Dank ihrer Gaben konnte ich mir dieses Bild kaufen: zu meinem 50. Geburtstag. Es sprang mich an im Haus zum Güldenen Arm und setzte sich fest. Und ist auch heute, kurz vor meinem 60., ein munterer Wegbegleiter, der mich immer wieder mitnimmt in eine noch unentdeckte Welt. (he)
Barbara Raetsch, „Realitäten“, Malerei: Eröffnung am Sonntag, den 21. August um 15 Uhr, im Museumshaus Im Güldenen Arm, Hermann-Elflein-Str. 3., Laudatio: Renate Bergerhoff, Musik: Matthias Wacker, Saxophon
Zu sehen bis 2. Oktober 2016, Mi bis So von 12 bis 18 Uhr
Liebe Heidi ,
muss dringend ein Kompliment loswerden.
Was für eine schöne, kluge und herzenswarme Hommage !
Vom Jungfernsee grüßt Dich herzlich Friederike