Mein letzter Scala-Besuch ist zwei Jahre her – und unvergessen. Es war kalt draußen und trist und ich schaute mit einer Freundin den Schwarz-Weiß-Film „The Artist“. Er erzählte vom Niedergang des Stummfilms und passte bestens zu dem abgewirtschafteten Kino in Werder. Die Heizung hatte sich gerade verabschiedet, wir zogen unsere Jacken immer fester um die Leiber. Die Kälte von draußen zog auch durch die Stuhlreihen und unsere Zähne klapperten. Wir teilten den muffig riechenden Raum mit vier weiteren tapfer durchhaltenden Besuchern, die an dem pappigen Popcorn knabberten. Dennoch liebe ich dieses alte Kino mit dem maroden Charme, das nun als „Kulturpalast“ wiederbelebt werden soll.
Hier genossen wir im Separé der Logen ganz für uns allein manch cineastische Delikatesse. Hier gab es nicht nur feine Filmkost, hier zitterten wir auch mit unserem Sohn bei seinem Auftritt eines Musikschulkonzerts. Ja, und hier erhielt er mit großen Worten seine Jugendweihe, schlürfte in den zu großen feinen Schuhen des Vaters, die in den Spitzen mit Zeitungspapier ausgestopft waren, die Bühnentreppe hinauf.
Ein ganzes Jahr stand das Haus mit seinen drei Rundbögen leer – und trug Trauer. Keine bunte Werbung mehr für neue Filme, es drohte das Wegschlummern in alle Ewigkeit. Doch dieses 1940 erbaute, unter Denkmalschutz stehende Kino lässt sich nicht so einfach ins Aus drängen. Es findet immer wieder Sympathisanten: wie jetzt den Fernsehproduzenten Gösta Oelstrom. Er setzt auf Crowdfunding, also auf Geld spendende Kinofreunde, um erstmal 8000 Euro für die wichtigsten Sanierungsschritte zu bekommen. Als Dankeschön für eine Spende von 10 Euro gibt es Kaffee und Kuchen im Scala Medien Café. Bei 20 Euro winkt ein freier Kinoeintritt inklusive einer Tüte Popcorn. Das natürlich nur, wenn die gewünschte Summe zusammenkommt.
„Wir eröffnen das Scala wieder als Kulturpalast: als Kino, Saal für Konzerte, Lesungen und Comedy, als Bühne der Schulen, als Bühne für Eure Ideen!“, schreibt Oelstrom auf der Internetseite, auf der man auch seinen Obolus problemlos einzahlen kann. Der 52-Jährige ist fast 30 Jahre in der Fernsehbranche unterwegs und versorgt heute durch seine Firma „Kalif Medien“ das MDR-Boulevardmagazinen Brisant mit Beiträgen aus der Musik- und Promiwelt. Nun zieht der Berliner gemeinsam mit „Kalif“ ins Obergeschoss des Kinos.
Die erste Veranstaltung im „Kulturpalast“ noch vor der offiziellen Eröffnung am 27. November ist bereits am 18. November um 15 Uhr: ein Schlager- und Oldie-Nachmittag wird es geben. Warum nicht. Ein Oldie ist schließlich auch dieses Kino. Ein hoffentlich rüstiger Rentner, dem die Jugend hold bleibt. (he)