Was hält uns bis zum Schluss zusammen? Die Dokumentation „Für immer“ erzählt berührend die Geschichte einer Liebe

Sie streicheln sich gegenseitig ihre tief durchfurchten Hände, während sie schweigend auf der Bank sitzen. „Wie bei 100-Jährigen“, sagt Eva, die erst auf die 90 zugeht, und mit feinem Lächeln hoch zu ihrem Dieter schaut. Den hat sie beim Tanzen kennengelernt und vor 50 Jahren geheiratet. Jetzt hilft ihr dieser „maulfaule Stockfisch, wortkarge Klotz, diese Gefühlsurne“, wie Eva ihn in ihrem Tagebuch einmal wütend beschreibt, beim beschwerlichen Haarewaschen und Strümpfe ausziehen. Er legt ihr vorsichtig die Decke über die Knie, wenn Evas zarter Körper zu frieren beginnt, reicht ihr den Arm beim beschwerlichen Aufstehen. „Wir lernen erst jetzt richtig zu lieben“, sagt Eva. Die NDR-Dokumentation „Für immer – Die Geschichte einer Liebe“ ist ein feinnerviges, lebenspralles und auch witziges Doppelporträt, in dem die Regisseurin Pia Lenz dem Paar vom ersten Kuss bis zum letzten gemeinsamen Augenblick nachspürt.

Alte Fotos, Briefe und Tagebucheinträge, denen Nina Hoss ihre Stimme leiht, schauen tief und schonungslos hinein in das Innenleben einer langjährigen Beziehung, das den Unfalltod ihrer vierjährigen Tochter Jaike verkraften musste, Seitensprünge erduldete und sich immer wieder selbst hinterfragte. Sie haben gestritten, gezweifelt, Krisen gemeistert und sind zusammen alt geworden.

Durch Zufall bin ich auf diese mich zutiefst berührende Dokumentation gestoßen: verbuddelt in den Tiefen der Mediathek. Dort ist sie in der ARD unter der Überschrift “Grimmepreis-Nominierungen 2025“ zu finden (man muss in der Rubrik Filme ganz weit nach unten scrollen).

Wir sehen Eva aufgelöst an ihrem Schreibtisch, mit tränenerstickter Stimme, wenn sie Ingeborg Bachmanns Gedicht „An die Sonne“ liest. Sie fühlt in ihrem Lieblingsgedicht die Endlichkeit des Lebens gespiegelt. Dann sehen wir sie lachen, wenn sie sich auf der Schaukel der Kinder in die Höhe schwingt. Abends sitzen beide vor ihrem gemütlichen Haus im kleinen Wäldchen, an dem Dieter viel zu lange gebaut hat, und schauen ins Lagerfeuer. Eva denkt nach über den Tod, wünscht sich, als Erste zu sterben, auch wenn das egoistisch sei.

„Es ist so totenstill zwischen uns. Nur die lauten Gedanken.“, schreibt sie. Sie, die ehemalige Lehrerin, hat die Zweisamkeit immer wieder in Worte gefasst, Tagebuch um Tagebuch gefüllt. Entstanden ist eine berührende, noch lange nachwirkende Rückschau, und ein Leben, in dem beide immer wieder bereit waren, alles zu hinterfragen. „Es war ein so interessantes und selbstbestimmtes Leben“, sagt Eva, und nichts sei schlimmer als abhängig zu sein. Ihr Dieter relativiert. Schließlich sei er es, der ihr bis zum Ende zur Seite steht. Und sie nochmal auffordert zu einem kleinen Tänzchen im Wohnzimmer: auf dünnen wackligen Beinen in Hausschlappen. he

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