Die diesjährige Eröffnung des Vocalfestivals „Vocalise“ fand Ende August in der Erlöserkirche Potsdam völlig unbemerkt von den Medien statt. Ungewöhnlich war ja auch der Zeitpunkt des Beginns dieses spannungsreichen Potsdamer Musikfestes, das vom Verein Musik an der Erlöserkirche e.V. veranstaltet wird. In der Regel wird zu den Konzerten im November und Anfang Dezember eingeladen. 2020 ist vieles anders. Die Corona-Pandemie hat den Veranstaltern und dem künstlerischen Leiter Ud Joffe gezwungen, ein anderes Konzept zu verfolgen. Kein zwei- bis dreiwöchiger Programm-Marathon wird die Vocalise-Szene beherrschen, die nunmehr seit 20 Jahren über die Bühne geht. Zu zwanzig Konzerten in zwanzig Wochen an verschiedenen Orten – natürlich mit Abstand – soll eingeladen werden.
Back to life – Zurück zum Leben – ist ein passender Titel des Vocalise-Festivals. Bis weitgehend in den Sommer hinein haben wir Potsdam coronabedingt als „stille Stadt“ erlebt, ohne pulsierendes gesellschaftliches Leben. Und vor allem: fast ohne Livemusik vor Publikum. Und wenn Besucher sich doch bei Konzerten einstellen durften, dann war ihre Anzahl limitiert. Dass die Zuschauerzahlen mindestens bis zum Ende des Jahres nur gering bleiben werden, steht wohl außer Frage. Auch auf der Bühne muss auf große Besetzungen verzichtet werden. Die Fantasie der Veranstalter ist gefragt, um Konzerte in Corona-Zeiten zu veranstalten. Werke, die eher kleine Formationen erfordern, sind die Folge.
Für das Eröffnungskonzert wählte Ud Joffe das festlich-nachdenkliche Te Deum von Benjamin Britten sowie einen Klassiker der sakralen Musik: das sehr tröstlich-berührende Requiem des französischen Spätromantikers Gabriel Fauré in kammermusikalischer Fassung. Auf eine großorchestrale Besetzung musste das Neue Kammerorchester Potsdam verzichten. Aus der ansonsten mit rund 120 Sängerinnen und Sängern besetzten Potsdamer Kantorei haben nur 22 Choristen die Kompositionen aufgeführt. Verantwortliches Singen und Musizieren in Gemeinschaft waren gefragt. Das tiefe Instrumentarium der Totenmesse konnte auch durch den Chor kaum aufgehellt werden, da der Klang hinter den Mund- und Nasenmasken entstand. Vor der Kantorei wurden die vier Solisten – Mitglieder des Rias-Kammerchores Berlin – platziert, die aus dem Chorklang-Gefüge nicht herausfielen, die aber die Wiedergabe exzellent trugen und auch mit wunderbaren solistischen Leistungen aufwarteten. Einer insgesamt bewegenden Aufführung konnten die nicht mal 100 Zuhörer (mehr durften nicht in die Kirche) beiwohnen.
Das September-Programm für das Vocalise-Fest steht fest. Anlässlich des Jüdischen Straßenfestes in der Kiezstraße (vor dem Heilig-Kreuz-Haus) am 13. September singt und musiziert das Ensemble Mückenheimer unter dem Titel „Bei mir bistu shejn“ jiddische Lieder. Mitsingen ist erwünscht. Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“ und Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 1 in C-Dur op.31 führen am 26. September um 19.30 Uhr das Neue Kammerorchester sowie Regina Jakobi, Mezzosopran, und Carsten Süß, Tenor, unter der Leitung von Ud Joffe auf. (Von Gastautor Klaus Büstrin)
Kartenbestellung www.vocalise.de oder telefonisch montags bis freitags unter 0331 / 7022781
Das Eröffnungskonzert der Vocalise war eine Ohrenweide.
Als Zuhörerin war es interessant zu hören, wie die vier hervorragenden RIAS-Solisten den Chor wunderbar in Klang und Artikulation veredelnd trugen.
Ein Vokal-Corona-Experiment, das aufging. Gern mehr!
Auch das Orchester spielte großartig.
Danke für die schöne Musik und danke für die Rezension im Kultursegler!