Die Selbstinszenierung hat einen Namen: Karl Lagerfeld. Im Innenhof des Kunstmuseums Moritzburg in Halle geben sich mehr als 30 fotografische Selbstporträts des Modedesigners ein Stelldichein. Lagerfeld, der immer im Rampenlicht stand, hat sein Ego gern nach außen gestellt: Dunkle Brille, weiße Haare, bis zum Jahr 2000 war da noch ein Fächer. Überlebensgroß sind die Fotografien. Mit selbstironischem Blick hat er sie bedacht, dabei auch die eigene Endlichkeit nicht außer Acht gelassen: „Meine Devise im Leben ist: Es fängt mit mir an und hört mit mir auf“. War dieses Bonmot ernst gemeint, weil er sich in der Modewelt als der Größte sah und in dieser Branche eine Selbstvermarktung unerlässlich ist? Mit diesem Nachdenken durchschreite ich die Ausstellung Karl Lagerfelds, der in Hamburg geboren wurde, in Paris lebte und arbeitete. Am 19. Februar 2019 starb er mit 85 Jahren.
Von den 300 Fotografien, die in der Moritzburg zu sehen sind, haben die Darstellungen mit opulenten Inszenierungen Vorrang. Sie erinnern oftmals an altmodische Opernaufführungen. Schöne Menschen in teuren Klamotten mit wiederkehrenden gestischem und mimischem Ausdruck gehen melancholisch durch die arkadische Landschaft oder langweilen sich auf der Couch, die von noblem Interieur umgeben sind. Die Darsteller arbeiteten beim Designer als Model.
Karl Lagerfeld hat die Kunstgeschichte oftmals in seine fotografischen Arbeiten einbezogen, so auch Lyonel Feininger, der ja mit Bildern in der hauseigenen Sammlung der Moritzburg zahlreich vertreten ist. 1990 inszenierte Lagerfeld eine Hommage an den Maler und machte Mode im Stil von Feininger. Auch in antike Erzählungen tauchte er ein. So kommen die blitzsauberen Hirtenkinder Daphnis und Chloe vor, die mondäne Gestalt des englischen Lebemanns Dorian Gray, der am Traum von der ewigen Jugend zugrunde geht. Natürlich ist die glitzernde Modewelt sein großes Thema. Seine frühere Muse Claudia Schiffer hat er abgelichtet, auch seinen langjährigen Begleiter Baptiste Giabiconi. Doch von beeindruckender fotografischer Qualität sind die in geheimnisvolle Lichtschattierungen gehüllte Landschafts- und Architekturaufnahmen, die in Italien und Frankreich entstanden sind. Sie strahlen eine meditative Stille aus.
Die Arbeiten, die in Halle ausgestellt sind, stammen aus Bildbänden und Büchern, die Lagerfeld im Laufe von Jahrzehnten veröffentlicht hat. Sie sind meist in enger Zusammenarbeit mit dem Göttinger Verleger Gerhard Steidl entstanden. Alle Fotografien wurden eigens für die Ausstellung ausgewählt und produziert. Teilweise sind auch bisher unveröffentlichte Werke erstmals zu sehen.
„Was ich bei der Fotografie liebe, ist, die Aufnahme zu machen, an der Entwicklung mitzuarbeiten. Aber wenn sie einmal benutzt, gedruckt, in der Zeitung oder auf wunderbarem Papier abgezogen ist, denke ich nur noch an das nächste Foto“, sagte Lagerfeld, der als Workaholic galt.
Karl Lagerfeld wurde von seinen zahlreichen Verehrern als Modepapst bezeichnet. Er selbst soll mit dieser Bezeichnung nicht sehr glücklich gewesen sein. Er sah sich als Missionar in Sachen Mode. Zur Religion aber hatte der Designer ein gespanntes Verhältnis. „Als meine Mutter schwanger war, hat sie eine Wahrsagerin getroffen, die gesagt hat: Sie sind schwanger, sie kriegen einen Jungen und der wird Bischof“, erzählte Lagerfeld in einem Interview. Sie hielt ihn von allem was mit Kirche zu tun hat, fern. Ihn als Bischof der Modewelt auf den Thron zu hieven, haben Verehrer übersprungen und ihn gleich zum Papst erhoben. (von Gastautor Klaus Büstrin)
Die Ausstellung „Karl Lagerfeld. Eine Retrospektive“ im Kunstmuseum Moritzburg in Halle ist bis zum 8. Januar 2021 zu sehen. Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Weitere Informationen hier.