Wurde Monets berühmtes Gemälde „Impression“, das einer ganzen Kunstepoche den Namen gab, eigentlich beim Sonnenaufgang oder beim Sonnenuntergang gemalt? Um das zu klären, studierten Wissenschaftler das akribisch geführte Schleusenbuch vom Entstehungsort Le Havre mit allen Schließ- und Öffnungszeiten. Ja sie befragten sogar die Astrophysiker, um auf Nummer sicher zu gehen. Das Ergebnis: Monets Meisterwerk entstand 1872 in der Früh – von einem hoch liegenden Hotelfenster aus: innerhalb von nur einer Stunde. So jedenfalls bekundete es Monet, der Popstar der Kunstgeschichte, höchstselbst. Wer in den sechsteiligen Doku-Podcast MONET – Zeiten des Umbruchs mit der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis eintaucht, erfährt allerdings auch, dass Monet seine Vita gern hier und dort aufpolierte, ihr etwas mehr Dramatik verlieh.
Das übernahmen auch die Podcastler, wenn sie mit wuchtiger Soundhascherei in die halbe Stunde Ohrkino einführen. Nach dem kräftigen Anfangsakkord legt sich aber die etwas aufgesetzte Spannung und gern lässt sich der Hörer gefangennehmen von einem Lebensweg, der angeblich vom Tellerwäscher zum Millionär führte – wie es Monet der Öffentlichkeit suggerierte. Dem war keineswegs so. Eigentlich eher umgekehrt. Monet stammte aus einer bürgerlichen Familie, der Vater arbeitete im Großhandel. Monet rutschte erst später in die Armut ab, um sich immer wieder herauszukämpfen. Wir erfahren, dass er die Schule als Gefängnis empfand und es dort nie länger als vier Stunden aushielt. Ihn zog es hinaus an die Klippen von Le Havre, ein „unzivilisierter Wilder“, wie ihn sein Vater nannte. Vater und Sohn lagen oft verquer, aber Monet ließ sich seine „Bohème-Flausen“ nicht austreiben.
Er malte stundenlang, vor allem Karikaturen. Und mit 15 war er in der ganzen Stadt für seinen spitzen Stift bekannt. Dank der Begegnung mit dem Maler Eugène Boudin ließ er es nicht mit dem schnellen Ruhm bewenden, schaute auf die wahre Kunst. Und so reisen wir mit ihm per Podcast weiter nach Paris, tauchen in die Zeit der aufkommenden Industrialisierung ein, in die Großstadt aus Stahl, Ruß und Schmutz, hören das Lokomotivengeschnaube und die Trillerpfeifen an der Bahnsteigkante. Und enden, als der 20-Jährige Monet wieder in seinem Heimatort antanzen muss, um ein Los zu ziehen. 227 junge Männer sollen in den Krieg ziehen. Frankreich gegen Algerien. Unter ihnen Monet.
An dieser Stelle endet die erste Podcast-Folge „Neue Meister“. Die weiteren fünf – „Freunde fürs Leben“, „Höhenflüge“, „Kunst und Frieden“, „Garten Eden“ und „Seerosen und Selbstzweifel“ – erscheinen im wöchentlichen Rhythmus immer dienstags auf allen gängigen Podcast-Plattformen, wie Spotify, Deezer und Amazon. Aufwändig realisiert wurde der Podcast durch das Produktionsteam von Studio Jot um Janis Gebhardt und Johannes Nichelmann.
„Mit dem großartig produzierten Podcast haben wir einen für uns völlig neuen Zugangsweg, um Menschen für die Kunst zu interessieren, egal, ob sie sich auf dem Arbeitsweg befinden, gerade ihr Mittagessen kochen oder zu Hause auf dem Sofa sitzen“, so Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini, das das Projekt mit unterstützt hat.
Im Barberini hängen 38 Monets aus allen Schaffensperioden und beglücken die Besucher mit ihrer stimmungsvollen Tiefe, die den Moment hochleben lassen. he