Ein Rebell und Popper erzählt über seine ganz eigene DDR-Welt: über „Düsterbusch – City Lights“

Mähdrescherfriedhof Haus Alex
Der Mähdrescherfriedhof am Haus von Alexander Kühne. Dieser Totenstille trotzte der Spreewälder Querkopf in poppiger Aufruhr. Über seine Erinnerungen an eine rebellische Jugendzeit in der DDR schrieb er den autobiografisch gefärbten Roman: „Düsterbusch. City Lights“.    Foto: privat

Dieser Roman, diese Geschichte, ist wie ein lebenspraller Nachruf auf David Bowie und die DDR, wie sie nur ein echter Rebell und Popper zustande bringt. Respektlos, aneckend, ohne Schnörkel. Selbstironie statt gallige Schwermut. Sie fließt aus dem Herzen des leidenschaftlichen Trotzkopfes Alexander Kühne, der zwischen Dorfkonsum und Mähdrescherfriedhof groß geworden ist, lieber Kohlen schippte als zu funktionieren: Lehrerkind und Versager zugleich, permanent im Aufstand gegen die Norm des grauen Durchschnitts. Dieser Möchte-Gern-Bowie mit flotter Tolle lebte seinen Traum, eines Tages sein hinterwäldlerisches Spreewald-Dorf zu etwas ganz Besonderem zu machen: zum Szenetreff der Popmusik, der es spielend mit Clubs in Berlin aufnimmt: zu Düsterbusch mit City Lights.

Tja, und in dem schließlich tatsächlich nicht nur Die Nörgler, die Speerspitze des DDR-Untergrunds, auftraten, sondern eines späten DDR-Tages sogar die Rodeo Starters: echte Kultmusiker, die ohrenbetäubend und klammheimelig die Dorf-„Linde“ aufmischten. Ohne Erlaubnis, angekarrt von den „Helden des Fortschritts“, die sich hinterm FDJ-Fähnchen versteckten und ihre brenzlig-gefährdete kleine Freiheit lebten: tanzend, saufend, pöbelnd – ohne nach dem Morgen zu fragen.

Nach Lugau pilgerten in den 80er Jahren Fans aus der ganzen DDR. Dieser Ort wurde zum Hotspot für New-Wave-Musik und Leben jenseits der Norm. Und auch wenn das System zurückschlug, der Club zeitweise verboten wurde, wirbelten die „Helden“ weiter Staub auf und kämpften gegen Behördenwillkür und stumpfsinnige Nachbarn.

DJ Alex83
DJ Alex 1983

Mit welcher Energie, welchem Gegenwind, das beschreibt Alexander Kühne wunderbar leichtfüßig in „Düsterbusch. City Lights“: Es ist zwar ein Roman und sicher vieles fiktional. Aber Anton Kummer, die Romanfigur, trägt hauteng die wilde Lederjacke Alexander Kühnes. Romanheld und Autor verschmelzen in Seele und Leidenschaft. So wie auch Düsterbusch in den dunklen und glitzernden Facetten Lugaus schimmert.

Alexander Kühnes Lederjacke schaffte es bin in die Dauerausstellung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam. Vor fünf Jahren traf ich ihn dort bei einem Pressegespräch: den Ex-Popper, der im Jugendklub „Extrem“ in dem Lausitz-Dorf Lugau Punkkonzerte organisierte, und der nun den Ausstellungsbereich „Alltag und Diktatur in der DDR“ mit seiner ausrangierten Lederjacke hinter Glas krönte. Alexander Kühne erzählte, dass er und seine Clique keineswegs Oppositionelle gewesen seien. „Unser Protest lag in der Verweigerung. Wir haben versucht, in unserem Dorf London und New York im Kleinen nachzuspielen. Da ist sicher auch viel Opportunismus dabei gewesen, sonst wäre unser Laden zugemacht worden.“ So gab es für den FDJ-Klub mal Urkunden, dann wieder Strafen. Und für die Organisatoren auch Gefängnis wegen illegaler Konzerte. Kühne saß ebenfalls ein paar Stunden ein, doch holte ihn seine Mutter, Lehrerin und Genossin, aufgebracht im Morgenmantel, wieder raus.

Die Mutter spielt auch in dem Roman eine große und sympathische Rolle. Die warmherzige hübsche Frau mit den Krampfadern stand nachts besorgt am Gartenzaun, wenn ihr Sohn mit der herausgewachsenen Bowie-Frisur die „Unterwelt“ empfing: Popperlocken mit verschnittenen Iros, Glatzen mit Schmalztollen, schwarze Nylons mit quietschgrünen Lederhosen. Der Plattenteller mit diesen bizarr-funkelnden DDR-Geschichten dreht sich schwungvoll und im knackigem Sound: Er erzählt über wahre und falsche Freunde, viel zu frühes Vaterwerden und flüchtigen Sex, von allerlei schrägen Typen, die sich bereits als Teenies innerlich von der DDR verabschiedeten und kleine Siege feierten, „bevor diese in der großen Niederlage“ enden. „Mein Roman soll die DDR so zeigen, wie ich sie erlebt habe: fern jeglicher Klischees und Stereotype, dafür mit einer tiefen menschlichen Ebene.“

Ich bin ihm gern auf dem Weg zurück gefolgt, auch wenn mir Blues und Muddy Waters näher waren als Pop und David Bowie. (he)

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Alexander Kühnes Roman „Düsterbusch. City Lights“ erscheint am 29. Februar im Heyne Verlag. Er kostet 14,99 Euro. Hier können Sie das Buch bestellen.

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