Krampnitz und der Charme des Verfalls

Die Führungen durch das Entwicklungsgebiet Krampnitz waren im Nu ausgebucht. Das Interesse an so genannten „lost places“ ist groß. Der Charme des Verfalls von Orten, die Geschichte(n) erzählen, zieht viele in ihren Bann – Hobbyfotografen, Nostalgiker und Träumer, aber auch Historiker und Architekturinteressierte. Die Besucherströme durch die Beelitzer Heilstätten, zum Beispiel, ebben selbst nach zehn Jahren nicht ab. Wahrscheinlich hätte auch die Pro Potsdam, der Entwicklungsträger des ehemaligen Militärgeländes im Norden Potsdams, keine Probleme, doppelt so viele geführte Touren voll zu kriegen. Zumal diese, durch die Landeshauptstadt subventioniert, kostenfrei angeboten werden. Alle geplanten Führungen bis Oktober 2018 sind restlos belegt. Wir hatten das Glück, uns in Krampnitz umsehen zu können und möchten euch an unseren Einblicken teilhaben lassen (mit Fotogalerie).

Dass es sich hierbei um ein verstecktes „Juwel“ handelt, merken wir, als wir den Eingang zum neuen Stadtquartier in Potsdams Norden suchen. Wir sind nicht die einzigen die Mühe haben, hinter der Leitplanke der B2 den Zugang ausfindig zu machen, auch wenn der markante Klinkerturm, der vielen Vorbeifahrenden bekannt ist, die richtige Orientierung bietet. Kaum zu glauben, dass die Mauern ein riesiges, 110 Hektar großes Areal mit unzähligen Gebäuden verbergen, das die Wehrmacht für die Reit- und Fahrschule der Kavallerie in den 1930er Jahren hier errichtete. Ab 1945 nahmen die Sowjets schließlich das Gelände für sich in Anspruch und blieben bis 1994. Seit dem schläft das von der Öffentlichkeit abgeschirmte Gelände einen Dornröschenschlaf, der seither nur durch gelegentliche Filmproduktionen und einzelne Abenteuerlustige gestört wurde. Gut zwei Stunden laufen wir mit unserem Gästeführer Dr. Wolfgang Eisert durch das Dickicht – und sehen nur einen winzigen Bruchteil.

Der nationalistische Pomp der 30er Jahre lässt sich im Offizierskasino erahnen. Ein langgestrecktes Kaminzimmer bildet den Vorraum. Die Adler mit den Hakenkreuzen, die einst die Kaminsimse zierten, sind aus der Wand gerissen. Nur noch zwei Löcher zeugen von diesem dunklen Kapitel unserer Vergangenheit. Die Tapete im Kasinoraum ist indes noch erhalten. Sie ist aufgrund ihrer Dicke etwas Besonderes und kam in dieser Art wohl auch auf der Titanic zum Einsatz. Während sich die Nazis im hellen Weiß vergnügten, bevorzugten die Russen ein dunkles Braun. Auch die gelben Klinker der Offiziersunterkünfte bekamen nach Kriegsende einen grauen Einheitslook. Die Vermischung der Spuren der früheren Nutzer ist überall zu sehen: während man hier und da russische Worte und Wandgemälde ausfindig machen kann, zeigt ein Fries am Bibliotheksgebäude bis heute Wappen der deutschen Provinzen anno 1938. Die Sowjets haben’s erstaunlicherweise ignoriert, dafür ihrerseits das Gelände mit Kasernen in Plattenbauweise geprägt.

Wie das Gebiet in zehn Jahren aussehen könnte, zeigen erste Pläne. Und auch die ersten Abrissbagger, die den nicht unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden zu Leibe rücken, sind schon unterwegs. 1,5 Milliarden Euro, so schätzt man, werden hier wohl investiert werden. Noch kann man sich nicht vorstellen, dass die Großzügigkeit des Geländes tatsächlich bestehen bleibt und aus dem heutigen „lost place“ ein neuer, großer Stadtteil für bis zu 10.000 Einwohner wird. Dass es sich hier in unmittelbarer Nachbarschaft zum Krampnitzer See jedoch vortrefflich wohnen lässt, ist dagegen sehr gut vorstellbar. Und Menschen, die sich das leisten können, wird es wohl auch geben. (so)

Die öffentlichen, kostenfreien Führungen sind ausgebucht. Jedoch lässt sich über die Potsdam Marketing und Service GmbH ein individueller Rundgang mit einem Gästeführer buchen: Email an: gruppen@potsdamtourismus.de.

Für einige Eindrücke, klickt euch durch die Diashow (Fotos: ro)

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4 Kommentare

  1. Danke für die Anregung! Daraufhin werden wir versuchen, eine Führung für die Firmenbelegschaft zu buchen. Vielleicht haben wir Glück und können die verwunschenen Orte auch live sehen.
    Roman, die Fotos in der Galerie sind großartig!

    1. Liebe Regine,
      wir können es nur empfehlen – denn lange wird dieser Ort sicherlich nicht so bleiben… Und vermutlich kann auf einer individuellen Tour (allerdings nicht kostenfrei) auch noch einmal „individueller“ geschaut werden.
      Danke für das nette Feedback! Lasst uns gerne wissen, ob’s geklappt hat und wie ihr es fandet.
      (ro)

  2. Liebe Kultursegler,

    mein Sohn und ich würden gerne eine Tour über das Gelände buchen. Ich bin Amerikaner, mein Sohn (16) hier in Potsdam geboren und aufgewachsen. Wir wollen der Potsdamer Geschichte gemeinsam erkunden.

    Wo müssen wir uns anmelden?

    Beste Grüße,

    Gerald Wood

    1. Hallo Gerald Wood, bitte wenden Sie sich mit Ihrer Anfrage an die Potsdam Marketing und Service GmbH. Die Email Adresse steht im Artikel. Beste Grüße.

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