Auch der beliebte brandenburgische Dorfkirchensommer muss weitgehend pausieren. Doch trotz Corona-Pandemie finden einige Konzerte und Lesungen statt, obwohl nur wenige Mitwirkende und Zuhörer teilnehmen dürfen. So in der kleinen Dorfkirche von Satzkorn, ein im 17. Jahrhundert umgebauter Feldsteinbau, der umgeben ist von einem Friedhof mit Gräbern aus der Historie des Dorfes. Lesungen haben dort eine gute und lange Tradition. Sogar prominente Schauspieler-Größen wie Ulrich Matthes vom Deutschen Theater waren dort schon zu Gast. Nun kam die Potsdamer Verlegerin und Autorin Barbara Wiesener in die Kirche, um das in ihrem Arke Verlag erschienene Buch „Trümmerkinder – Kriegskinder erzählen“ vorzustellen und daraus zu lesen. Gemeinsam mit Elke Liebs fungierte sie als Herausgeberin und lud Zeitzeugen ein, ihre Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach aufzuschreiben. Barbara Dega Komitowska, Elke Liebs, Martin Herrbruck oder Klaus Grimmer, aus dessen Erinnerungen Barbara Wiesener las, geben ein authentisches und schnörkelloses Bild vom Überleben in einer Epoche, in der die Bedrohung der Existenz zum Alltag gehörte. Doch auch Hoffnungsbilder in den Jahren des Neubeginns haben die Autoren aufgezeichnet. Barbara Wiesener kennt einige autobiografisch Schreibende seit Längerem, da sie sie während eines Schreibseminars der Urania Potsdam betreute. Sie machte die Erfahrung, dass die Erinnerungen an die Kindheit im Alter wieder stärker auftreten.
Der Vater in Uniform war oftmals der Größte und wurde auch entsprechend bewundert. Kinder spielten mit Kanonen und bewaffneten Soldaten, stimmten Kriegslieder an und waren stolz auf ihre Sammelbilder ranghoher Militärs. Martin Herrbrucks Vater beispielsweise war Soldat in Afrika und kämpfte unter General Erwin Rommel.
Von der schrecklichen Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 erzählt Klaus Grimmer. Auch sein eigenes Wohnhaus war vom Bombenhagel betroffen. Doch die Flucht aus dem brennenden Gebäude gelang: „Unzählige Bäume liegen quer auf der Straße. Auch sie kämpfen ums Überleben und verursachen ein fast unüberwindbares Bollwerk. Gegen die immer erneut sich verbreitenden Brandlöcher in unserer Kleidung kämpfen wir mit einem Wasserlappen, der ständig mit Feuchtigkeit aus einem Wasserkrug versorgt wird.“
Musikalisch wurde die Lesung vom Werderaner Kantor Bernhard Barth am E-Piano begleitet. Die Werke von Bach, Eric Satie und Philipp Glass wählte er erst während der Veranstaltung aus, um den erstmals gehörten Erinnerungen eine spontane emotionale Farbe zu verleihen. Das gelang ihm.
Der Dorfkirchensommer lädt am 23. August um 15 Uhr erneut in die beschauliche Kirche von Satzkorn ein. Bernhard Barth am Cembalo und an der Orgel sowie Gerrit Fröhlich, Flötist der Brandenburger Symphoniker, stellen kleine Stücke für Musikspieluhren berühmter Komponisten vor. Die Kunsthistorikerin Silke Kiesant erzählt begleitend Wissenswertes zur Geschichte der Musikspieluhren.
Vor Corona lud die Kirchengemeinde ihre Gäste in der Regel zu einer festlichen Kaffeetafel ein. Dieses Beisammensein ist jetzt nicht möglich. So ist man nach der Stunde mit Musik und Lesung unterwegs, um im Dorf nach einer Tasse Kaffee zu suchen. Vergeblich. Doch im nahegelegenen Fahrland lohnt sich ein kleiner Kaffee-/Kuchen-Stopp in der Landbackstube. (von Gastautor Klaus Büstrin)
Das Buch „Trümmerkinder – Kriegskinder erzählen“ von Barbara Wiesener ist für 10 Euro hier erhältlich.