Das Kulturland Brandenburg beschlägt in diesem Jahr den lahm gewordenen Gaul „Handwerk“ mit goldenen Hufeisen. Landauf, landab gibt es Veranstaltungen, um wegbrechenden Traditionen liebevoll zu huldigen und ihnen neuen Schliff zu geben. An einige der Orte nehmen wir Sie mit auf Reisen: auf eine sommerliche Landpartie. Zum Auftakt schauen wir in die Baruther Glashütte, die in diesem Jahr ihren 300. Geburtstag feiert und inzwischen ein Museumsdorf ist. Ja, es lohnt sich!
Sie arbeitet heute auf Sparflamme: die einst berühmte Hütte. In den ehemaligen Arbeiterunterkünften wohnen neue Kreative. Vor einem der gemütlichen Fachwerkhäuser in der „Einkaufspassage“ steht das große Schild: „Für die Malediven hat’s nicht gereicht! Herzliche Grüße aus Glashütte“. Wer hierher reist, mitten in den Wald hinein, hat indes keinen Jetlag. Und fühlt sich wie aus der Welt gefallen. Nur eine gute Autostunde, 80 Kilometer von Potsdam entfernt, liegt dieser einst boomende Handwerkerfleck, der seine Produkte weit in die Welt hinaussandte. Vielleicht nicht ganz bis zu den Malediven. 500 Menschen lebten hier im 19. Jahrhundert, 200 von ihnen bliesen Kugeln, Gläser, Krüge in allen Formen und Farben. In seinen letzten glühenden Tagen war Behälterglas die Spezialität der Baruther. Doch irgendwann bekam das Hüttendach Risse und man sah den Mond hineinscheinen. Die Baupolizei sperrte 1980 das Objekt. Das Feuer erlosch. Erst 1991 blies ein privater Verein frischen Wind in den erkalteten Ofen. Der Kern des Museumsdorfes ist heute eine Schaugießerei. Wer mag, darf dort seine Kugel auch selber blasen: anfangs mit voller Puste, dann sanft und gleichmäßig – wie beim Luftballon. Der Meister des Glasmachens, Frank Schmidt, zeigt mit Leidenschaft und flotten Sprüchen, wie man es macht: Er schwingt an einem langen Stab das glühende flüssige Glas hin und her wie Honig und muss aufpassen, dass es nicht vom Löffel fällt. „Glas ist nichts anderes als Sternenstaub, den wir Glasmacher für Euch formen dürfen und für die Ewigkeit festhalten. Wir alle wissen, Glas verrottet nicht und kann Jahrtausende überdauern.“ Wenn es nicht zerbricht.
Zwei Sonderausstellungen zeigen bis August all die gläsernen Herrlichkeiten, die die Jahrhunderte überdauert haben. Eine Schau präsentiert die Sammlung von Siegfried Lachmann, dessen Tongefäße-Sammlung uns bestens aus dem Haus im „Güldenen Arm“ in Potsdam bekannt ist. Dass er auch Glas zusammentrug, schnörkelloses – zeitlos und ewig –, überrascht. Als Gestalter hat er natürlich das richtige Händchen, um dieses Gebrauchsglas auch ansprechend in Szene zu setzen: Lichtspiele in Farben und Formen, die eine heiter-gelöste Stimmung herbeizaubern.
Die zweite Schau zeigt Gläser in allen Variationen: „Prosit Glashütte“: Sie ist der (Trink)leidenschaft von Christian Jentsch zu verdanken. „Ich trinke gern Wein: Heute mal elegisch aus feinem Venezianischen, morgen dann aus dem derben Biedermeierglas“. So gesellt sich zur wissenschaftlichen Ambition die Freude am Genuss und wir Besucher schauen entzückt auf den feinen Schliff und goldenen Prunk.
Am 28. August kommt im Reigen der 300-Jahrfeier noch eine weitere Ausstellung dazu: von den Studenten der Hallenser Burg Giebichenstein, die hier am Ofen seit fünf Jahren Praxiserfahrung sammeln. Nicht immer glückt, was sie sich zuvor in der Theorie ausgedacht hatten. Aber Übung macht den Meister. Und so wird das müde am Boden liegende Handwerk der Glaskunst doch noch in die Zukunft hineingeblasen: zwar auf Sparflamme, aber mit Fantasie. Jeder kann sich im „Hüttenwerk“ einmieten: Profi und Laie. Zwei Glasmacherinnen sind stets vor Ort und produzieren für den hauseigenen Shop kleine Serien.
Und dann gibt es seit Januar auch noch eine Ausstellungshommage an den berühmtesten Sohn der Glashütte: Reinhold Burger, den Erfinder der Thermoskanne.
Und nach all der Glaskunst von Gestern und Heute kann man sich der Ruhe hingeben, durch das Dörfchen schlendern, sich an den Düften selbstgemachter Seife, dem frischgebrühten Kaffee und der geräucherten Salami, die es im „Konsum“ gibt, erfreuen. Frauen walken Filz, andere denken sich originelle Sprüche aus und verkaufen sie auf Karten. Aber sie sind mehr als Sprücheklopper: die neuen Bewohner der alten Hütte. Sie haben Ideen und bieten ihre von Hand geschöpften Waren in gemütlicher Atmosphäre feil. Ohne Gedränge kann man durch die niedrigen Backsteinhäuser streifen und Geschenketütchen füllen: originell und handwerksfein. (he)
„Die gute Form“, Gebrauchsglas, Flaschen, Trink- und Vorratsgläser 18. bis 20 Jahrhundert ist bis zum 21. August zu sehen.
Die Ausstellung „Prosit Glashütte“, Trinkgläser 1716-2016, ist bis 7. August geöffnet.
Das Museumsdorf kann von Di-So, 10-17 Uhr, besichtigt werden
Weiteres unter www.museumsdorf-glashuette.de
Eintritt frei, Parken (bis 1,5 Stunden): 2 Euro, Tageskarte: 4 Euro