CD statt Beethovenfest. Brandenburger Symphoniker trotzen der Leere

Ein sinfonisch besetztes Orchester mit 44 Musikerinnen und Musikern, eine Pianistin, ein Dirigent. Doch kein Publikum. Nur einer ist dabei, der zuhört, und das ganz genau: Werner Dabringhaus. Er führt mit seinem Partner Reimund Grimm das Label MDG in Detmold (Musikproduktion Dabringhaus und Grimm). Dabringhaus ist bei der neuen CD-Aufnahme der Brandenburger Symphoniker im Großen Haus des Theaters in der Grabenstraße in Brandenburg an der Havel als Tonmeister der Oberkommandierende.

Die Corona-Pandemie hat in diesem November der Konzert- und Theaterkultur wieder einen schmerzhaften Schaden zugefügt. Der noch designierte Chefdirigent der Brandenburger Symphoniker, Olivier Tardy, hatte aber die Idee, das ausgefallene Beethovenfest des städtischen Orchesters mit dem ehemaligen Chef Peter Gülke als Dirigent und der aus Lettland stammenden Pianistin Lauma Skride als Solistin auf eine CD zu bannen. Seine Motivation: Den zahlreichen Konzertabonnenten in dieser schwierigen Zeit mit einer Beethoven-Platte Freude ins Haus zu bringen. Peter Gülke sagte zu, und er konnte dafür den Tonmeister und Produzenten Werner Dabringhaus gewinnen. Beide kennen sich seit langem. Ihr Vertrauensverhältnis in Sachen Musik ist groß. Dabringhaus hat mit Peter Gülke bereits mehrere CD-Aufnahmen produziert.

Für die Produktion in der vergangenen Woche wurden die Zuschauerreihen im Großen Haus entfernt. Bühne, Orchesterwanne und Zuschauerraum bildeten eine Ebene. Für die Bläser und den Paukisten gab es selbstverständlich Podeste, damit sich Musiker und Dirigent im Blick hatten. Dem Tonmeister schien die Platzierung der Musiker mit den erforderlichen Abstandsregeln sowie der Instrumente im Theatersaal nunmehr akustisch ein guter Aufnahmeraum zu sein. Eine Live-Atmosphäre konnte annähernd erzeugt werden. Dabringhaus selbst ist mit modernster Aufnahmetechnik ins Theater gekommen, mit einer Super Audio Compact Disc. Somit wird eine 3-D-Wiedergabe möglich sein. Zunächst wurde  Ludwig van Beethovens Ouvertüre zum Festspiel „Die Weihe des Hauses“ aufgezeichnet. Danach das Klavierkonzert G-Dur Nr. 4 op. 58 aus „Beethovens Meisterjahren“, wie der französische Musikschriftsteller Romain Rolland die hochklassische Periode des Komponisten um 1805/06 nannte. Seine Taubheit machte sich aber bereits bemerkbar.

Die lettische Pianistin Lauma Skride Foto: KDSchmid/Borgreve

„Ich mag alle fünf Klavierkonzerte. Es kommen da so wichtige, teils gegensätzliche Facetten Beethovens zusammen. Es ist für mich jedes Mal ein Fest, wenn ich eines von ihnen musizieren darf“, sagt Lauma Skride in einer Pause. Wie für ihre Kolleginnen und Kollegen gibt es in dieser Pandemie-Zeit auch für sie keine Auftrittsmöglichkeiten. So nahm sie natürlich gern das Brandenburger Angebot an. Peter Gülke hat mehr als zwanzig Mal das 4. Klavierkonzert dirigiert „Die Beschäftigung mit Beethovens Musik und Biografie begleitet mich mein ganzes Leben. Und noch heute bin ich überrascht, was ich alles in einem Werk neu entdecke.“. Man spürt während der Aufnahme Gülkes enge Vertrautheit mit dem Komponisten und seinem Werk.

Für das differenzierte Klavierkonzert in G-Dur benötigte man drei Tage. Pragmatisch, ruhig, freundlich und ausdauernd ging der erfahrene Werner Dabringhaus im Tonstudio des Großen Hauses ans Werk und wurde deswegen von den Musikerinnen und Musikern hoch geschätzt, obwohl es nicht ausblieb, dass diese oder jene Stelle in der Partitur noch einmal wiederholt werden musste. Auch Lauma Skride wirkte ganz entspannt. Von ihrer fröhlichen Spiellaune ließ sie sich nicht ablenken. Alle Musizierenden waren bedacht, die Spannung in keinem Augenblick sinken zu lassen. Die Aufnahmemomente werden nun wie in einem Puzzlespiel von Werner Dabringhaus in Detmold zusammengefügt.

Als Autor dieses Textes tat ich gut daran, den gesamten Aufnahmetag für den Finalsatz durchzustehen. Zwei Mal kam ich in den Genuss des Satzes, denn es gab kein Unterbrechen aus dem Tonmeister-Studio. Welch ein Privileg für mich als Gast-Zuhörer!

Die CD erhält noch ein Gegenüber. Sie wird eine Lesung aus Alfred Brendels und Peter Gülkes soeben erschienenem Buch „Die Kunst des Interpretierens“ (J.B. Metzler Verlag) und Klangbeispielen, gespielt von Lauma Skride, beinhalten. Erscheinen wird das Musik-Ereignis aber erst im Frühjahr 2021.     (von Gastautor Klaus Büstrin)                        

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert