In diesen kalten, dunklen Wintertagen schweifen meine Gedanken gerne mal ab. Vor meinem inneren Auge dreht sich der Globus mit ordentlichem Schwung, um auf einen zufälligen Fingerzeig hin die nächste Reisedestination zu bestimmen – wenn auch (vorerst) nur fiktiv. Und dabei kam ich auf folgende Idee: Ich lade Sie hiermit ein auf eine kleine, virtuelle Weltreise. Aber eine ganz spezielle. Es geht von Potsdam über Potsdam nach Potsdam! Was das bedeutet? Lesen Sie selbst.
Potsdam ist heute eine kleine Großstadt mit einer langen und durchaus nicht ganz unbedeutenden Geschichte. Als Residenzstadt der Preußen-Monarchie machte sie sich spätestens ab dem 17. Jahrhundert einen Namen in Mitteleuropa. Einen Namen, der in den vergangenen Jahrhunderten auch in ferne Teile der Welt hinaus getragen wurde. Man mag vielleicht schon einmal davon gehört haben, dass es irgendwo noch ein anderes Potsdam gibt. Aber es gibt sogar mehrere, in der ganzen Welt verteilt…
Die Reise beginnt mit einem Abstecher in die USA.
Ganz im Norden des Bundesstaates New York im Osten der Vereinigten Staaten, kurz vor der Grenze zu Kanada und etwa eine Tagesfahrt von New York City gen Norden entfernt, liegt das wohl zweitbekannteste Potsdam der Welt. Die Stadt Potsdam, New York, wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegründet. Die zu dieser Zeit noch nicht allzu lang unabhängigen USA versuchten sich mit grenznahen Ansiedlungen, gegen das nach wie vor britisch-koloniale Kanada zu schützen. Dafür sollten europäische Siedler gewonnen werden – mit dem einfachen „Trick“, den Orten Namen bekannter europäischer Städte zu geben. Es war also nicht etwa ein abenteuerlustiger Märker, der ein zweites Potsdam in den USA gründete. Auch wenn mit der Namensgebung tatsächlich „unser“ Potsdam gemeint ist: Die Wahl fiel anscheinend mehr oder weniger willkürlich auf den Namen (genauso wie etwa die Nachbarstadt Potsdams Madrid benannt wurde). Oder doch nicht? Andere Quellen der örtlichen Geschichtsschreibung sagen, der rötliche Sandstein vor Ort in New York hätte die ersten Siedler an den Sandstein aus dem „originalen“ Potsdam erinnert. Welcher Sandstein hierzulande damit gemeint sein könnte, bleibt offen. Fakt ist, dass Potsdam, New York, mit eben diesem Sandstein eine gewisse Berühmtheit erlangte: Für viele historische Gebäude in der größeren Umgebung ist er Baumaterial, unter anderem auch für das imposante kanadische Parlament in Ottawa.
Heute ist Potsdam, New York, mit rund 17 000 Einwohnern vor allem als Universitätsstadt bekannt, ein Ableger der State University New York und die private Clarkson University sorgen dafür, dass die Stadt vor allem junge Menschen anzieht. Und noch weitere Parallelen gibt es zum Original: Teile der Innenstadt stehen unter Denkmalschutz, während der Raquette River, das Pendant zur Havel, die Stadt in der Mitte teilt.
Neben Potsdam, New York, gibt es mindestens noch zwei weitere Potsdams in den USA, die wir bereisen könnten. Eines im Staate Ohio und eines in Minnesota. Auch wenn zwischen ihnen rund 1.000 Straßenkilometer liegen, sind sie sich sehr ähnlich – beide Potsdams sind kleine, relativ unspektakuläre Nester mitten im Nirgendwo, zwischen endlosen Feldern und schnurgraden Straßen. Kaum eine Sehenswürdigkeit lockt hier wie im Original die Besucherscharen an. In beiden Fällen finden sich Spuren deutscher Siedler, die ihre neue Heimat nach Potsdam benannten.
Aus den USA machen wir einen großen Sprung in das südliche Afrika, genauer gesagt in die südafrikanische Provinz Ostkap. Denn auch hier gibt es, im Herzland des Xhosa-Stammes, ein Potsdam, das sich von seinen US-amerikanischen Namensvettern allerdings doch sehr unterscheidet. Das südafrikanische Potsdam ist weitgestreuter Ort mit immerhin fast 6 000 Einwohnern, bestehend aus kleinen Häuschen, staatlich errichteten Siedlungen, Blechhütten – und ebenfalls einer Hochschule: Die Walter Sisulu Universität aus der 250 Kilometer entfernten Provinzhauptstadt Mthatha betreibt hier einen Campus. Kurios: Die Nachbarstadt Potsdams heißt Berlin, allerdings liegt diese auf der falschen Seite, nämlich in westliche Himmelsrichtung gesehen. Beide Ortsnamen in Kombination dürften kein Zufall sein. Auch in Südafrika haben sich deutschstämmige Bauern und Söldner im 18. und 19. Jahrhundert niedergelassen und ihr Glück gesucht. Im Falle der Siedler um Berlin und Potsdam war dies allerdings ein nicht allzu lohnenswertes Unterfangen, der Boden erwies sich als wenig fruchtbar, die Bauern blieben zumeist verarmt. Spätestens mit dem Beginn der Apartheid im 20. Jahrhundert verschwanden die letzten deutschstämmigen Siedler. In Folge der strikten Rassentrennungspolitik wurden Teile des Ostkaps zu schwarzen „Homelands“ erklärt, dort sesshafte weiße Siedler enteignet bzw. umgesiedelt. Der Name Potsdam blieb allerdings bis heute.
Einen kurzen Abstecher vor dem Weiterflug machen wir noch nach Kapstadt. Hier durfte ich selber schon ein Potsdam besuchen – die lange „Potsdam Road“ im Norden der Stadt führt direkt dorthin. Was früher mal eine Farm deutscher Siedler war, ist heute – eine Kläranlage. Immerhin, dieses Potsdam ist wahrlich schön gelegen, auch wenn es hin und wieder riecht.
Von Südafrika geht’s auf der Südhalbkugel ostwärts nach Papua Neu-Guinea. Auch hier gibt es ein Potsdam? Richtig. In der Südsee, am anderen Ende der Welt, sollten wie auch in Teilen Afrikas zum Ende des 19. Jahrhunderts deutsche Kolonialträume wahr gemacht werden. Das sogenannte Kaiser-Wilhelms-Land im Nordosten der Insel Neuguinea währte allerdings nur 20 Jahre. Dennoch verschlug es in dieser kurzen Zeit einige Siedler dorthin. Diese kamen vornehmlich aus Preußen. So ist es nicht verwunderlich, dass eine Siedlung – genauer genommen eine größere Plantage – den Namen in Erinnerung an die Residenzstadt erhielt. Potsdam an der Bismarcksee ist heute etwas mehr als nur ein kleines Dorf: Als 2004 auf der gegenüberliegenden Insel Manam der Vulkan ausbrach und sämtliche Bewohner flüchten mussten, kamen einige von ihnen auch in einer Auffangstation in Potsdam unter. Da die Insel bis heute nicht bewohnbar und der Vulkan nach wie vor aktiv ist, leben die Flüchtlinge zum Teil noch heute unter schwierigen Bedingungen in Potsdam.
Einige hundert Küstenkilometer in Papua-Neuguinea weiter treffen wir auf ein weiteres Kuriosum, denn hier taucht sogar der größte Potsdamer Stadtteil als geographischer Namensgeber auf. Eine kleine Wasserstraße zwischen Festland und einer Inselgruppe rund um die Ali Island nennt sich: „Babelsberg Strait“.
Mit diesen Eindrücken aus der warmen Südsee geht es nun wieder zurück um den halben Globus in das „originale“, winterliche Potsdam an der Havel.
Ich hoffe, Sie hatten Freude an der kleinen, virtuellen Reise zu den Potsdams dieser Welt. (ro)
Lieber Roman,
chapo! Das hat Spaß gemacht zu lesen. (Und man erkennt den investierten Zeitaufwand.)
fu.
Toller Artikel mit sooo viel wissenswertem Stoff! Die vituelle Reise zu den Potsdams dieser Welt hat sehr viel Spaß gemacht. Weiter so!