Bands aus Köln, Hamburg, ja sogar aus London, Prag und Kapstadt waren für dieses Wochenende angekündigt. Mit einer stilistisch breiten Mischung aus Rock über Folk bis Punk und Worldmusic sollte die Neuauflage des zweitägigen „Ohne Sorgen“-Festivals im Potsdamer Lindenpark zum Sommerausklang noch ein musikalisches Highlight bieten. Doch das Motto, mit der bewussten Anspielung auf Potsdams bekanntestes Wahrzeichen Sanssouci, konnte sich nicht bewahrheiten. Im Gegenteil: das Festival wurde kurzfristig abgeblasen, anscheinend aus mangelndem Interesse am Vorverkauf. Der Veranstalter wollte und konnte das finanzielle Risiko nicht tragen.
Moment, das hatten wir doch gerade schon einmal? Erst vor wenigen Wochen wurde aus den gleichen Gründen das lang angekündigte „Rubys Festival“ im Waschhaus abgesagt. Trotz einer guten Mischung aus regionalen Bands und überregional bekannten „Zugpferden“ und der namhaften Unterstützung von radioEins als Werbepartner. Ebenso das kleine, aber grundsympathische und in privater Eigeninitiative organisierte „Rock am Kuhstall“ in Schlalach bei Treuenbrietzen. Kurz vor dem Kleben der Plakate wurde die Reißleine auch auf dem flachen Land gezogen. Die Liste lässt sich fortsetzen. Meine Schwester sitzt immer noch auf den Kosten der Tickets des mit internationalen Headlinern gespickten und abgesagten „Greenville-Festivals“, das letztes Jahr in Paaren-Glien stattfinden sollte.
Nun fragt man sich: Was ist da eigentlich los? Warum gibt es anscheinend wachsende Schwierigkeiten, mit solchen Formaten erfolgreiche, gut besuchte Veranstaltungen auf die Beine zu stellen? Viele beschweren sich über den Mangel an Kulturangeboten für junge und junggebliebene Menschen abseits des sogenannten Mainstream. Und richtig: Potsdam ist im Schatten Berlins wahrlich keine Fundgrube für alternative Angebote. Wen wundert’s, laufen doch auch in den altbekannten Clubs der Stadt nur noch die Veranstaltungen wirklich gut, die massenkompatibel genug sind. Orte wie das Archiv oder das Freiland können sich glücklicherweise behaupten, bieten aber auch nur bestimmten Subkulturen ein Domizil. Dazwischen passiert nicht mehr viel.
Man könnte nun weit ausholen und darüber spekulieren, warum sich das Interesse an Musik in den vergangenen Jahren verändert hat. Eine These: Musik ist für junge Menschen heute sicherlich nicht unwichtiger als vor fünf Jahrzehnten – aber die Einstellung gegenüber der Musik ist oberflächlicher geworden. In Zeiten von Spotify, iTunes und Youtube (sowie illegalen Downloads) ist sie allseits verfügbar und schnell zugänglich wie eine Internetseite, die man öffnet und wieder schließt. Die Wertschätzung für den einzelnen Künstler oder das ganze Album sinkt mit der schieren Masse an stets zugänglichem Material, mit Audio-Streams und MP3 leidet das Bewusstsein für die Soundqualität. Klar, durch das Internet ergeben sich auch tolle Entdeckungsmöglichkeiten. Aber insgesamt hat man das Gefühl, dass die Generation Smartphone in der breiten Masse damit einen eher „verwässerten“, schnelllebigen Geschmack herausbildet. Während sich unsere Eltern noch über die Musik als Rocker, Blueser oder gar Popper definiert haben, sich die Peer Groups meiner Schulzeit vor allem in HipHopper, Punks, „Technoten“, Metaller und dergleichen aufteilte (und der Begriff „Stino“ – für Stinknormal – fast schon ein Schimpfwort war), sieht man heute vor allem viel Gleiches.
Ob das jetzt etwas Negatives oder vielleicht auch nur ein individueller Eindruck ist, sei dahin gestellt. Fest steht: Die Motivation, sich auch für unbekanntere Künstler und die weniger großen Shows zu begeistern, scheint zu sinken. Absagen wie das „Ohne Sorgen“-Festival sind bedauerlich für Potsdams Kulturlandschaft und natürlich auch ein demotivierendes Signal an alle Veranstalter. Man kann daher nur appellieren, hin und wieder die MP3-Zufallsplaylist auszuschalten und sich dafür draußen, im Klub, in der Bar oder auf der Straße überraschen zu lassen und Musik live zu entdecken – auch „Ohne Sorgen“ davor, ein paar Euros dafür zu bezahlen. (ro)