Die Waschhaus Arena ist ausverkauft. Juli Zeh zieht. Spätestens seit ihrem Erfolgsroman „Unterleuten“. Jetzt las die Autorin aus ihrem neuen Buch „Leere Herzen“ und plauderte mit „Kino-King“ Knut Elstermann (RadioEins) über Politik, die Vereinzelung der Gesellschaft und darüber, wie schwer es fiel, ihr neuestes Werk zu Papier zu bringen.
Es liegt gerade erst ein paar Tage zurück, da hat Juli Zeh ein Bundesverdienstkreuz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht bekommen. Nicht etwa für ihre grandiosen Bücher – für die wird sie selbstverständlich auch fleißig mit Preisen bedacht – sondern für ihr politisches Engagement, für ihren Kampf um bürgerliche Freiheitsrechte im digitalen Zeitalter. Nun sitzt sie hier in Potsdam. In einem Ledersessel, mit Lederhose. Hinter der Bühne flüsterte sie Knut Elstermann wohl noch zu, dass es an diesem Abend auch gern um andere Themen als nur um ihren neuen Politthriller gehen darf. Warum, wird im Laufe des Abends deutlicher.
Ich selbst habe „Leere Herzen“ noch nicht gelesen, aber die ersten Leseproben, die uns Juli Zeh an diesem Abend gibt, lassen erahnen: Hierbei handelt es sich mal wieder um schwere Kost. Irgendwie begibt man sich ja mit Juli Zeh immer an den Abgrund, schaut mit ihr in die düsteren Tiefen der menschlichen Seele. Der Titel „Leere Herzen“ scheint zu halten, was er verspricht. Eine seichte Strandlektüre ist das bestimmt nicht.
Die studierte Juristin gibt zu: „Das Buch zu schreiben, war eine Qual. Mir ging es körperlich und psychisch richtig schlecht.“ Kein Wunder. Wir schreiben das Jahr 2025. Merkel ist längst abgetreten, die sogenannte „Besorgte-Bürger-Bewegung“ ist nun an der Macht. Protagonistin Britta, ein Kontrollfreak durch und durch, gründet mit ihrem Freund Babak das Unternehmen „Die Brücke“, das sich an suizidgefährdete Menschen richtet bzw. an Todeswillige, die es selbst nicht schaffen, den Schlussstrich zu ziehen. Diejenigen, die sich nach Psychotest, Klinikaufenthalt und Waterboarding immer noch umbringen möchten, werden von „Der Brücke“ an eine terroristische Organisation vermittelt und erhalten so die Möglichkeit, die Welt als zweckdienlicher Selbstmordattentäter zu verlassen – ob nun im Namen des Islamischen Staates oder für eine Umweltorganisation, die die Auffassung vertritt, „dass der Planet ohne Menschheit wesentlich besser dran wäre“.
Was erst einmal nach einer schwarzhumorigen Dystopie klingt, stößt schon während der Lesung bitter auf. Juli Zeh schrieb ihren Politthriller weit vor der Wahl. Dass die AfD in die Bundestag einziehen könnte, war da noch eine unangenehme Vorahnung. Es war Juli Zehs politischer Antrieb, der am Anfang ihres Schreibprozesses stand. Sie war gerade in Braunschweig und scrollte, kurz vor einer Lesung, durch die Nachrichten auf ihrem Smartphone. Die Welt schien mal wieder Kopf zu stehen. Anschlag hier, Mord da… Statt abgestumpft darüber hinwegzulesen, staute sich in ihr etwas auf. „Es musste einfach raus!“, erklärt sie dem Potsdamer Publikum. Von der Idee bis zum ersten Wort ihres neuen Buches vergingen gerade einmal 24 Stunden. Der Ort ihrer Handlung führte sie dahin zurück, wo die Idee des Thrillers entstand: nach Braunschweig. Warum? Die Stadt sei der Inbegriff für Pragmatismus und Effizienz. „Anders als in Potsdam erwartet in Braunschweig kein Haus, dass du es anguckst. Kein Park erwartet, dass du ihn schön findest“, sagt die gebürtige Bonnerin und Wahl-Brandenburgerin. Genau die richtige Umgebung für die leeren Herzen ihrer Statisten. Politikverdrossen kreisen sie nur noch um sich selbst, ein Gruppendenken gibt es nicht mehr. Doch ist der Mensch als Herdentier überhaupt (überlebens-)fähig, nur für sich zu sein? Zerbrechen Juli Zehs „Leere Herzen“ am Ende? Oder gibt es doch noch einen Hoffnungsschimmer im dunklen Deutschland? (so)
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Juli Zeh: Leere Herzen, Luchterhand Literaturverlag (November 2017), Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.