Die Lichtpflücker. Das Theaterschiff Potsdam feiert mit Poesie und Akrobatik die Hoffnung auf Frieden

Durch die Reihen geht ein verzücktes Raunen. Wie aus einem Füllhorn ergießt sich über die Köpfe der Besucher ein paradiesisches Blumenmeer. Das Theaterschiff hat sich in einen Zauberwald verwandelt. Für zwei Stunden tanzen Glühwürmchen über die Planken, erwärmen Herz und Seele. Zwölf Artisten, Sänger und Pantomime geben sich am Ufer des Tiefen Sees ein beglückendes Stelldichein. Sie kommen aus verschiedenen Ländern: aus der Ukraine und Russland, aus Italien, Frankreich, England und den USA. Und sie halten gemeinsam mit ihrer atemberaubenden Kunst dem lärmenden Kanonendonner ein Licht des Hoffens entgegen.

„Als wir zufällig den Weltklassekünstler Borys Borysenko aus der Ukraine kennenlernten, entstand in uns das tiefe Bedürfnis, mit ihm sofort ein Friedensprojekt zu entwickeln. Wir stellten dafür alles zurück“, sagt die künstlerische Leiterin des Theaterschiffs, Martina König. Eine großartige Entscheidung.

Kraftvoll und verletzlich.

Die clowneske Poesie von Borys Borysenko, der auch schon dem wohl berühmtesten Zirkus, dem Cirque du Soleil, seine Glanzlichter aufsteckte, ist wie ein Juchzer aus Kindertagen. Wir sehen ihn mit seinem Kescher als tolpatschig-liebenswerten Beutefänger und erinnern uns an die russische Zeichentrickserie „Nu pagadi“. Zwischen seinen glücklosen Feldzügen gibt es ein schillerndes Nummernprogramm, in dem sich Artisten wie Grashalme im Wind wiegen, Seifenblasen wie Traumgespinste in den Himmel steigen, sich weiße Rosen blutrot färben. „Das Schiff, auf dem das Licht lebt“ ist ein wahrhaft treffender Titel für diese Melange aus Zirkuskunst und Magie, für die der Musicaldarsteller Joe Ryan – der als Drag-Queen oft selbst auf der Theaterschiffsbühne brilliert – nicht nur die prächtigen Kostüme schuf, sondern auch Regie führte.

Sphärische Klänge. Fotos (2): Julius Ruge

Dem russischen Sänger Gennady Tkachenko-Papizh setzt er einen wilden Efeuturban auf den Kopf und lässt ihn als mystischen Waldschrat mit gruseligen Spinnenfingern durch den Schiffsdschungel ziehen: passend zu den Urlauten dieses Hohepriesters, dessen Echo-Gesang  wie aus einer anderen Welt zu uns dringt. Markerschütternd.Berührend ist aber vor allem, wenn sich Borys Borysenko seine rote Wollmütze und die grüne glänzende Jacke ablegt und er mit nacktem Oberkörper virtuos die Muskeln spielen lässt. Nicht als Kraftprotz, sondern als zutiefst verwundbarer Mensch. Und als ein Feingeist, der augenzwinkernd ein Lächeln in andere Gesichter malt.Die Botschaft dieses magischen und aufwühlenden Abends: In jedem von uns steckt ein Glühwürmchen. Lassen wir es tanzen! he

Weitere Vorstellungen: am 30. September, 1., 7. und 8. Oktober, jeweils 20 Uhr, Karten kosten 19, erm. 16 Euro.  Infos unter www.theaterschiff-potsdam.de

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