Gruselschöne Verlassenheit – Führungen durch Beelitz Heilstätten

Wo einst die Krankheit residierte, gibt es heute spannende Fotomotive. Foto: he

Es muss nicht unbedingt der Tag des Offenen Denkmals am kommenden Sonntag sein: Ein Ausflug nach Beelitz Heilstätten lohnt zu jeder Zeit. Ob von oben oder mittendrin: die ehemalige Lungenheilanstalt fasziniert in ihrem maroden Charme von allen Seiten. Und zudem gibt es neben dem Baumkronenpfad und den Führungen durch die Krankenhäuser nun auch noch einen unbedingt empfehlenswerten Barfußpark, der durch Matsch und Wasser, über Stock und Stein führt und sich mit Klang- und Dufterlebnissen paart.

Bevor wir unsere Schuhe ablegen und die Hosenbeine hochkrempeln, nehmen wir an einer Führung teil, die über das Alltagsleben der Patienten in der einst weltgrößten Lungenheilanstalt erzählt. Es geht in einer ziemlich großen Gruppe (ohne Anmeldung) recht flink durch die Ruine des Alpenhauses, das seinen Namen durch die „Berge“ erhielt, die durch Erdaufschüttungen bei den Bauarbeiten entstanden. Hierher kamen ab 1902 Patienten, die aufgrund ihrer feuchten und kohlenrußigen Wohnungen in den engen Hinterhöfen Berlins an TBC erkrankt waren. Die einzigen Medikamente waren frische Luft und gutes Essen. Die Heilungsquoten konnten sich sehen lassen, obwohl nur Placebos verabreicht wurden. Wirkliche Wirk- und Impfstoffe gegen die „Motten“ waren noch nicht erfunden. Mit preußischer Disziplin mussten Ruhe- und Mahlzeiten eingehalten, Spaziergänge und leichte Sportübungen absolviert werden. Die Technik für Heizung und Küche präsentierte sich auf dem neusten Stand, alles war schick und nobel eingerichtet. Der Wohlfühlfaktor stand obenan. Es war die Zeit von Zuckerbrot und Peitsche, wobei es in Beelitz-Heilstätten vor allem das Zuckerbrot gab, um die Arbeiter wieder gesund an ihre Werkbänke zurückzuführen. Während wir den Anekdoten aus dieser Zeit interessiert lauschen, haben wir nebenbei alle Hände voll zu tun, um immer wieder den Fotoapparat zu zücken. Denn diese Ruinen einer untergegangenen Welt, die sich die Natur märchengleich zurückerobert, faszinieren in ihrer morbiden gruselschönen Verlassenheit

Nach dem Alpenhaus mit seinem Dachwald gehen wir weiter ins ehemalige Waschhaus und schließlich zur Kochküche. Das Leben der Schwindsucht-Patienten in dem damals modernsten Tuberkulose-Krankenhaus der Welt mit 60 riesigen Häusern nimmt Gestalt an. Wie werden sich die Menschen gefühlt haben in dieser Luxuswelt – gebaut auf Todesangst – bevor sie in ihre dunklen Wohnhöhlen wieder zurückkehren mussten? he

Fotos: ro

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Am Tag des Offenen Denkmals, der am Sonntag bundesweit stattfindet, können Interessierte die Heilstätten von 10 bis 19 Uhr besichtigen. Im benachbarten Heizkraftwerk gibt es um 11 und 17 Uhr Technikführungen. Infos unter Tel. 033204-634723.

Ansonsten jeden Samstag und Sonntag 11.30, 13.30 und 15.30 Uhr;
Dauer: 1 Stunde, Eintritt: Erwachsene 10 €

Tickets für die Gebäudeführung erhalten Sie an der Kasse am Baumkronenpfad in Beelitz Heilstätten, ohne Voranmeldung.

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