Am Sonntag werden hier, in der neugotischen Kirche von Bornim, Mitglieder des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters Berlin Musik der Barockzeit zum Klingen bringen. Bis vor wenigen Wochen wäre für Musiker kein Platz gewesen, denn im Altarraum stand ein Baugerüst. Für neun Monate war es die unentbehrliche Arbeitshilfe der Potsdamer Restauratorin Christiane Thiel. Dem krank gewordenen Wandbild des Malers und Grafikers Viktor Paul Mohn (1842-1911) mit der Darstellung der Begegnung der Emmaus-Jünger und dem auferstandenen Jesu aus dem Lukas-Evangelium hat sie eine wirksame Heilung zukommen lassen. Durch die Dachschäden drang jahrzehntelang Feuchtigkeit in die Kirche. Das Bild, das in Secco-Malerei ausgeführt wurde, ist beschädigt worden. Nach der Sanierung des Daches wurde deutlich, dass die Restaurierung des Wandbilds in Angriff genommen werden muss.
Bis vorigen Herbst standen ihr dafür Studierende der Fachhochschule Potsdam zur Seite. Die künftigen Restauratoren haben mit ihrer Bestandsaufnahme, den Schadenskartierungen sowie Untersuchungen eine tolle Vorarbeit für die Restaurierung geleistet, die Christiane Thiel schließlich wegen der Corona-Pandemie dann allein mit einem Berliner Kollegen bewerkstelligen musste. Farbe und Putz gingen auf dem Bild nach und nach verloren. Doch mit Kompressen, die sie ihm aufgelegt hat, sind ihm die schädlichen Salze entzogen worden. Die Malerei erhielt durch die Restauratorin ihren alten Glanz wieder. Das Wandbild rahmt die Loge für das Kaiserehepaar Wilhelm II. und Auguste Victoria ein, die bei der Einweihung 1903 anwesend waren. Die Monarchin war, wie für viele Kirchen, Initiatorin des Baus in Bornim. Gegenüber der Kaiserloge befindet sich ein weiteres Wandbild Mohns: Jesu Einladung an die Kinder. Es wartet noch auf eine Restaurierung.
Moderne Kunstströmungen aus der Zeit um 1900 fanden in der Kirche keinen Platz. Der Berliner Künstler Victor Paul Mohn, ein Schüler des Dresdner Landschaftsmalers Ludwig Richter, konzipierte seine Bilder für Bornim noch ganz im Stil der Nazarener, eine Kunstrichtung, die 80 bis 100 Jahr zuvor aktuell war. Besonders die Landschaft, in der die Szenerie spielt, ist voller Poesie. Victor Paul Mohns Reisen nach Italien haben ihn künstlerisch stark beeinflusst.
Der Bewahrung des riesigen Fundus‘ an sakralen Kunstwerken fühlt sich Christiane Thiel besonders verpflichtet. Für sie ist jede zu restaurierende Arbeit, die sie in den Händen hält oder in Augenschein nimmt, eine Kostbarkeit. Natürlich kann sie dabei auch auf Höhepunkte verweisen. Beispielsweise auf den Altar der Marienkirche in Prenzlau mit den spätgotischen Figuren des Lübecker Meisters aus dem Jahr 1512. Leider sind noch nicht alle an ihrem Platz versammelt, da ein Teil 1991 gestohlen wurde. Aber auch die Wandmalereien im ehemaligen Dominikanerkloster Prenzlau, der Hauptaltar oder die Epitaphien der St. Gotthardtkirche in Brandenburg (Havel) sind durch Christiane Thiel wieder ins rechte Licht gebracht worden. Gern denkt die Restauratorin an die Arbeit im prachtvollen Neuen Palais im Park Sanssouci zurück. Das Ovale Zimmer mit seinen wieder frisch wirkenden Blumengirlanden präsentiert sich dank Christiane Thiel wieder als zauberhafte Rokoko-Gartenlaube.
Christiane Thiel, die aus einer Pfarrersfamilie stammt, ist nach Tischlerlehre und Ausbildung an den Kirchlichen Werkstätten für Restauratoren in Erfurt sowie dem Studium an der Fachschule für Werbung und Gestaltung Potsdam seit 1983 eine gefragte freiberufliche Restauratorin.
In ihrer Bornimer Kirchengemeinde engagiert sie sich mit viel Elan auch als Organisatorin der sommerlichen Abendkonzerte. Prominente Solisten und Ensembles kann sie immer wieder zum Musizieren in der Kirche Bornim gewinnen. Am Sonntag, den 4. Juli, sind um 17 Uhr die Sopranistin Elke Adrion und Mitglieder des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters Berlin zu Gast, die Musik der Barockzeit zum Klingen bringen. Zu hören sind Werke unter anderem von Händel, Vivaldi und Bruhns. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Klaus Büstrin