Lesung auf dem Feuer: Mit Fontane in der alten Ziegelei Glindow

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Gelesen wird allerorten, ob in Galerien, Buchhandlungen oder Gärten. Hier, in der alten Ziegelei Glindow, trifft indes die Kraft des Wortes auf die Kraft der Muskeln und des Schweißes. Während die Handstreicher die schweren nassen Tonbatzen in Holzformen wuchten, in die Ecken drücken und mit Draht abstreichen, lesen die Schauspieler Teo Vadersen und Andraes Hueck vom Poetenpack Texte von Fontane. Nicht irgendwelche, sondern die, die der Dichter einst an Ort und Stelle notierte.

Fontane ließ sich ja kaum einen brandenburgischen Ort auf seinen Wanderungen entgehen. In Glindow am Ringofen weilte er indes längere Zeit. Ihn faszinierten Mensch und Technik und das glutvolle Zusammenspiel von Feuer und Erde. In seinen kurzweiligen Beschreibungen von 1878 ging er haarklein auf die Funktion des Ringofens ein. Sein Äußeres beschrieb er so:

„Denken wir uns also eine gewöhnliche runde Torte, aus der wir das Mittel- oder Nußstück herausgeschnitten und durch eine schlanke Weinflasche ersetzt haben, so haben wir das getreue Abbild eines Ringofens. Denken wir uns dazu die Torte in zwölf gleich große Stücke zerschnitten; so haben wir auch die Einrichtung des Ofens: sein Zwölfkammersystem. Die in der Mitte aufragende Weinflasche ist natürlich der Schornstein.“

Durch solche Worte entstehen Bilder. So begreift das innere Auge im Nu, was sich der Verstand erst mühevoll erarbeiten muss. Es lohnt sich also, diese Lesung zu besuchen. Auch ohne im Detail das ausgeklügelte System des Brennvorgangs verstehen zu müssen, bekommt man Schritt für Schritt einen Eindruck, wie aus den hellen Tonklumpen die herrlichsten Farbspiele entstehen: Das Gelbrosé aus dem Ton bei Petzow, das Rot aus dem „weißen Gold“ des Westerwalds. Wir spüren die Macht des Feuers. Und den Feuereifer, mit dem Fontane einst seine Worte fand.

Bei einem Pressebesuch mit dem Verein Kulturland Brandenburg erzählt Ziegelei-Geschäftsführer Harald Dieckmann begeistert von der Geschichte des Ofens, während wir auf dem Feuer stehen – nur einen meterdick über 1060 Grad.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieser energieeffiziente Ofen erfunden und er verbreitete sich in Windeseile. In Glindow entstanden etwa 18 Ziegeleien mit rund 50 Rundöfen. Deshalb wurde man hier um den See herum auch „steinreich“, wie Harald Dieckmann sagt. Berlin hätte nicht so wachsen können ohne die Abermillionen von Steine aus Glindow, die direkt vor der Haustür kostengünstig verschifft wurden. Früher sei der ganze Bergrücken ein riesiges Vorkommen an Ton gewesen und es wurde abgebaut, was das Zeug hielt: Ton raus, Abraum rein. Wer heute durch die Glindower Alpen spaziert, nimmt also auch die Geschichte des Handwerks unter die Füße und befindet sich direkt auf einer Abraumhalde.

Die über 500-jährige handwerkliche Tradition der Ziegelfertigung  geht aber schon auf die Mönche aus dem Kloster Lehnin zurück. Sie begannen 1458 in Glindow Ton zu fördern und Ziegel im „Klosterformat“ zu brennen. So heißt das Format auch heute noch. Aber das Handwerk ist nicht mehr ganz so blühend. Denn von Hand Gemachtes nach Wunsch und Maß ist eben teurer als Fertigware. „Es schwankt ganz arg in der Auftragslage“, so Harald Dieckmann. Nach einer Insolvenz im April gab es einen Neustart für ihn und seine gut 20 Mitarbeiter. „Zur Zeit sind wir zufrieden. Der Ofen läuft rund um die Uhr.“

60 Prozent der Produkte aus dem Ofen, der seit 1868 befeuert wird, gehen in die Denkmalpflege, die sich an den derben und unregelmäßigen Ziegeln besonders erfreuen.

Die Lesungen beleben den Betrieb, sagt Dieckmann, der auch Mitglied in der Potsdamer Kulturinitiative Salon e. V. ist, und jetzt Partner von Kulturland Brandenburg.

Nach dem gelungenen Auftakt im Juni folgen drei weitere Lesungen: am 17. und 24. Juli sowie am 11. September.

Und es gibt noch mehr Sommer-Kultur: Die drei Bildenden Künstler Hella Berent aus Köln, Johannes Pfeiffer aus dem italienischen Lanzo und Chris Hinze aus Potsdam schaffen auf dem Gelände der alten Ziegelei ihre Kunst: Im stillgelegten Ringofen stellen sie ab 4. September ihre Arbeiten vor. Es wird mystisch zugehen; denn es gibt auch ein Experiment mit Robinienstämmen, deren inneren Schichten unter ultraviolettem Licht gelb-grünlich fluoreszieren. Mit diesem Leuchte-Holz sollen die Eingänge des Ofens gefüllt werden. Feuer und Magie!

Jetzt geht es aber erstmal auf die blühende Wiese mit dem herrlichen Panoramablick über den Glindower See. Hier beginnen und enden die Lesungen, und Musik gibt es noch dazu. Währenddessen „rückt das Feuer von Kammer zu Kammer …“ und die Besucher folgen ihm. (he)

An den Sonntagen 17., 24. Juli und am 11. September, jeweils 16 Uhr. Ab 15 Uhr Aufwärmen am Ofen mit einem Angebot leichter Speisen und Getränke.

Eintritt 10, ermäßigt 6 Euro.

Kartenreservierung per Email an harald.dieckmann@potsdam.de

Weiteres unter www.kulturland-brandenburg.de

und www.ziegelmanufaktur.com

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