Wandern und Wundern. Auf dem Kunstpfad durch den Hohen Fläming

Die Wölfe machen die beste Figur. Mit zotteligem Fell stehen sie zu dritt unter dem dichten Blätterdach und spitzen die Ohren. Der mittlere streckt seinen Kopf gen Himmel, ganz in Hab-Acht-Stellung. Die drei Isegrims wirken eher verletzlich als bedrohlich. Fein ausgeformt von der belgischen Künstlerin Marion Burghouwt gehören sie zu 26 wundersamen Objekten, die den Kunstwanderweg Hoher Fläming säumen. Die zwischen Bad Belzig und Wiesenburg in eine Nord- und Südroute gestaltete Freilichtgalerie ist himmlisch schön – auch ohne die künstlerische Pointierung. Dichte Buchenwälder, ein betörend duftender Rhododendronweg, bunte Schmetterlingswiesen – eine Augenweide auf Schritt und Tritt. 17 Kilometer sind es vom Bahnhof Belzig nach Wiesenburg, der Weg ist frisch gemäht, auch an den schmalen Stellen.

Wie kann das sein, dass ich noch nie etwas von diesem Weg gehört habe, und erst durch meine Wanderfreundin darauf gestoßen bin?! Dabei gehört der Fläming schon lange zu meiner Herzenslandschaft. Wir haben jedenfalls das Familienhotel „Brandtsheide“ in Jeserig zu unsrem Zwischenstopp auserwählt, drei Kilometer hinter Wiesenburg.

Auf dem Weg dahin sehen wir nicht nur die Wölfe, sondern auch Kuheuter auf einer sattgrünen Wiese friedlich grasen: eine originelle Idee der belgischen Künstlerin Silke De Bolle, die unsere müden Beine kurzzeitig vergessen lässt. Damals wie heute sind die schwarzweiß gefleckten Kühe prägend für das Landschaftsbild in Flandern. Und natürlich auch für den Fläming. An anderer Stelle türmen sich fünf Kuben von Karl Menzen meterhoch auf, die das Goldgelb des Ginsters rostrot flankieren. Sie richten ihr Augenmerk darauf, wie sich im Verlauf von mehreren Jahrhunderten eine dicht bewohnte Region ausgedünnt hat. „Die Würfel sind gefallen, wir ziehen in ein anderes Land“.

„Die Würfel sind gefallen“, meint Karl Menzen, der im November verstorbene Bildhauer.

Auf dieser „Südroute“ haben sechs deutsche und sechs flämische Künstler aus Belgien und den Niederlanden Kunstwerke zum Thema „Besiedlung des Fläming durch Menschen aus Flandern“ geschaffen. Nicht alle Werke lassen staunen, manche sind kaum zu sehen, andere verwehen gedanklich wie ein leichter Sommerwind. Wir lesen nicht alle Erklärungen, konzentrieren uns lieber auf die Ausblicke und Lichtspiele.

Nach gut fünf Stunden kommen wir bei unseren Wirtsleuten an, und da geht‘s wirklich familiär zu. Wir kommen ins Gespräch über Land und Leute, den guten Riesling aus dem Jessener Land, den schon Luther getrunken haben soll, vor allem aber über die Wölfe. Offensichtlich haben auch die den Reiz des Flämings erkannt und machen den Bauern gehörig zu schaffen. Auch tagsüber werden sie in den Wäldern gesichtet. Bei unserem Rückweg über die Nordroute vermuten wir anfangs hinter jedem Knacken einen hungrigen Wolf.

Doch der Weg durch den idyllischen Schlosspark Wiesenburg und über das verträumte Schlamau lässt die Gedanken bald wieder in andere Richtungen fließen. Da ist zum Beispiel der silberne Findling von Hartmut Renner, auf dem gerade ein Junge herumlümmelt und in die Wolken schaut. Dieser gitterförmige „Findling“ erinnert an die eiszeitlichen Riesensteine, die hier überall zu finden sind. Dieses geräumige Drahtoval darf durch eine Öffnung auch betreten werden: Berühren, Beklettern und in Besitz nehmen ist ausdrücklich erwünscht. Wie schön!

Wasser wird knapp. Deshalb bauten Wolfgang Buntrock und Frank Nordiek ihren „Wasserfall“.

Anders als der „Wasserfall für den Fläming“. Der ist unerreichbar. Auf über sechs Meter hohen Masten thronen Schwengelpumpen, die in ihrer schwindelerregenden Höhe keiner schwengeln kann. Der Wassermangel im Fläming wird hier künstlerisch in die Höhe getrieben. Und weiter geht’s mit Wandern und Wundern. Wir treffen die tief in sich ruhende Steinschlange, ein paar baumelnde Wanderschuhe hinter Plexiglas und vor uns die höchste Erhebung des Flämings: Der Hagelberg ist ein 200er und war Schauplatz einer Schlacht, die sich 2013 zum 200. Mal jährte.

Auf dem Gut Schmerwitz gibt es schließlich Kaffee und einen Wildkräutersalat – allerdings ohne Wildkräuter, dafür auf einer herrlichen Terrasse serviert. Hier hat der Besitzer von Werder Frucht ein weiteres Anwesen unter seine Fittiche genommen und ist fleißig am Ausbauen. Auch die benachbarte Kirche lässt Gerrit van Schoonhoven auf Vordermann bringen, inzwischen entweiht und in spe auf Trauungen aller Art eingestellt. Der Synanon-Nachfolgerverein Scarabäus lässt derweil weiter auf dem Vierseitenhof die Töpferscheibe drehen. Der Erlös aus den Schüsseln, Krügen und Schalen kommt direkt den suchtkranken Menschen zugute, die hier ihren nüchternen Alltag leben.

Wir schlürfen aus den königsblauen Tassen unseren Cappuccino und sammeln Kraft für die letzten Kilometer in dieser bewegten Landschaft, die sicher auch durch die Kunst neue Wanderfreunde findet.  he

https://www.wandern-im-flaeming.de/kunstwanderweg/

www.brandtsheide.de

2 Kommentare

    1. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Kleinode unentdeckt vor der Haustür schlummern. Liebe Josephine, vielen Dank für Deine Zuschrift!

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