Er wirkte bis in die kleinste Dorkfkirche: „Modemacher“ Karl IV. – Ein Kaiser in Brandenburg

Büste Karl IV._Prag_pr
Sie ist eine der ersten Porträtskulpturen in der Kunstgeschichte: Die Büste Karl. IV. am Veitsdom. In der Potsdamer Ausstellung gibt es einen Gipsabdruck zu sehen.

Die erste seiner vier Ehen wurde gestiftet, als Karl IV. sieben Jahre alt war. Im gleichen Alter wie seine Frau Blanca. Eine Hochzeit aus politischem Kalkül. Gleich danach wurde das junge böhmisch-französische „Glück“ getrennt. Blanca reiste aus Paris ab, der junge Königssohn aus Prag lernte am französischen Hof Schreiben und Rechnen. Als er schießlich den Thron bestieg,  galt er als erster böhmischer König, der lesen konnte und zudem fünf Sprachen beherrschte. So jedenfalls ist es auf der spannend gestalteten Internetseite des tschechischen Tourismus www.karl700.de zu lesen. Die umfangreiche Ausbildung in Frankreich öffneten dem klugen hellsichtigen Mann sicher auch die Augen für die Schönen Künste. Und um die geht es  vor allem in der Ausstellung „Karl IV. Ein Kaiser in Brandenburg“, die  bis Januar 2017 im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu sehen ist.

Sie zeigt meisterliche Holzskulpturen, fein geschmiedete Kelche und Stickereien wie Gemälde. Erinnert wird an einen kunstsinnigen Herrscher (1316-1378), der seine Erfolge weniger militärischer Gewalt als geschickter Diplomatie verdankte. Und der „Mode“ machte, weit über seine Zeit hinaus. Was aus den Werkstätten Böhmens kam, revolutionierte im späten Mittelalter die Kulturgeschichte und schwappte bis nach Brandenburg rüber. In seinen letzten fünf Lebensjahren erweiterte Karl IV. seinen Herrschaftsbereich bis vor unsere Haustür. Als er 1373 Kaiser in Brandenburg wurde, begann ein bemerkenswerter Kunsttransfer.

IMG_4884Das Neuartige an Karls „Mode“ war vor allem, dass die Heiligen nicht mehr überirdisch schön auf die Menschen herabschauten, sondern ganz lebendige Gesichter erhielten: derb, kokett, einfältig, herausfordernd. Sie wirken in ihren Gefühlsregungen eher wie Marktfrauen, nur in feineren Gewändern, die in weichen Faltenwürfen die Körper umschmeicheln.

Auch Karl IV. ließ sich porträtieren. Es ist eine der ersten Porträtdarstellungen in der Kunstgeschichte überhaupt. Ein Gipsabdruck seiner Porträtbüste, die am Veitsdom eingemauert ist, gehört mit zu der exklusiv bestückten Potsdamer Ausstellung. Das wohl bedeutendste Exponat ist auf eine Puppe gehängt und lässt den Kaiser, der sich vor allem in seiner Residenzstadt Prag mit Veitsdom und Karlsbrücke ein Denkmal setzte,  fast leibhaftig erscheinen. Denn vielleicht hat er einst diesen prachtvollen Chormantel selbst getragen, den er dem Dom zu Brandenburg als Kaisergeschenk überreichte. Der Stoff und auch die Stickereien sind jedenfalls kostbar „geadelt“.

Die Ausstellung präsentiert 70 originale Meisterwerke, einige eigens für die Ausstellung restauriert. Auch die Heiligen Katharina und Amalberger, die letzten erhaltenen Figuren aus den Fassaden-Nischen der St. Katharinenkirche Brandenburg, von denen es einst Hunderte gab, gehören dazu. Diese Tonfiguren stehen nun im Obergeschoss der Ausstellung. Dort kann der Besucher die Nachwirkungen des böhmischen Kunstfeldzuges bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts hinein erleben.

Selbst bis in die kleinste Dorfkirche schlug sich Karls Mode nieder, sei es in Altaraufsätzen oder Stickereien, die als „Fadenmalerei“ wie Gemälde wirkten.

Nicht nur der schönen Kunst wird gehuldigt, es gibt auch eine historische Einbettung des böhmischen Königs und deutschen Kaisers, dem die Goldene Bulle als wichtigstes „Grundgesetz“ des Heiligen Römischen Reiches zu verdanken ist. Nach Karls Tod ging in der Mark Brandenburg alles drunter und drüber. Gleichberechtigt aufgeteilt unter seinen drei Söhnen, begann ein riesiges politisches Durcheinander. Was sich zentral regiert friedlich zeigte, mündete nun in Fehden. Jeder Landadlige wollte sein Süppchen kochen. Nur die Kunst hielt weiter die Fahne hoch. he

Zu sehen im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, noch bis 22. Januar 2017

Sonderveranstaltungen im September:

Mittwoch, dem 21.09., 18 Uhr

„Karl IV. – Ein Kaiser in Brandenburg. Eine Einführung“ von Jan Friedrich Richter, dem Kurator der Ausstellung.

Eintritt: 5 Euro, erm. 3 Euro

 

Sa, 24.09., 15 Uhr

Kuratoren-Führung  „Karl IV. – Ein Kaiser in Brandenburg“

mit  Dr. Jan Friedrich Richter

Eintritt: 8 Euro, erm. 7 Euro

 

Mi, 28. 09., 18 Uhr

Kunst im Gespräch

„Gold, Silber, Holz – Handel und Wandel unter Karl IV. in Brandenburg“

mit der Numismatikerin Antje Nolte und dem Historiker Dr. Sascha Bütow

In der Ausstellung treten zwei Fachleute – Kunsthistoriker oder Historiker, Theologen oder Restauratoren – vor einem ausgewählten Kunstobjekt in den Dialog miteinander und mit dem Publikum.

Eintritt: 5 Euro, erm. 3 Euro

 

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte

Kutschstall, Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam, Infotelefon: 0331 62085-50

www.hbpg.de

 

 

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