Rebellion in der „Guten Stube“. Der Potsdamer Maler Julius Ruge geht Schwarz-Weiß auf Seelenflug

Eigentlich brauchen diese Arbeiten keinen Verstärker. Als aber zur Vernissage am Freitagabend die Musiker Andrej Lakisov und Gennady Tkachenko Papizh mit Saxophon und stimmlicher Magie in Zwiesprache mit der Malerei von Julius Ruge treten, beginnen die ungezähmten malerischen Formen regelrecht zu tanzen. Die Ausstellungsgäste in der Galerie „Gute Stube“ des Potsdamer Kunstvereins halten förmlich die Luft an: in diesem Sog vibrierender Energie.

Genauer Beobachter. Der Maler Julius Ruge. Fotos: jä

Einen besseren Auftakt hätte sich der 1982 geborene Maler für seine Ausstellung “Cluster“ nicht wünschen können. Seine Schwarz-Weiß-Arbeiten sind „Splitter“, die von Schmerz und Aufbegehren erzählen, von Sehnsüchten und Verkrümmungen. Die präzise gemalten Figuren lassen sich nicht festzurren, widersetzen sich einer klaren Interpretation. Wir sehen um sich greifende Dornenranken, die weiche verletzliche „Köpfchen“ bedrohlich umschnüren.  Manche „Splitter“ scheinen sich auf den Weg zu machen, erinnern an Gespenster im schwarzen Gewand. Doch immer wird das Schwarz durchbrochen – von Gespinsten, fein wie Nervenstränge, und winzigen Öffnungen, die das Licht erahnen lassen oder sich davor verschließen. Jeder sieht etwas anderes in den Bildern. Ein Besucher fühlt sich an den vielarmigen Gott Shiva erinnert, der die Kräfte der Natur darstellt und dabei für Zerstörung steht. Eine Arbeit trägt den Titel „Dschinn-Geist“, ein anderes „Ein Kreuz und das böse Kind“. Man kann nur erahnen, welche dunklen Mächte und persönlichen Narben den Pinsel mitführten.

Mit Ölkreide gemalt: einer seiner „Splitter“, 2020

Der 2023 mit dem Nachwuchsförderpreis für Bildende Kunst des Landes Brandenburg nominierte Maler hat seine ganz eigene Sprache gefunden, die entfernt noch an seine Streetart-Zeiten erinnert. Inzwischen aber nimmt er das Spontane, Unbehauene genauestens Maß. Dieses feine Ausformen, Ausfransen, Reduzieren fördert das Ungestüme, Kafkaeske ebenso wie das Zarte und Bedrohliche eindrücklich zutage.

Die Bilder von Julius Ruge fallen mit großer Wucht auf den Betrachter ein, tönen auch ohne Musik lautstark von den Wänden. Mit Musik ist es eine wahre Explosion.

Wer die tollen Musiker erneut erleben möchte, hat dazu in der Französischen Kirche Gelegenheit. Sie gehören mit zu der Künstlercrew von der Collage „Was uns bleibt, sind die Worte“ , die am 11. Mai und 29. Juni, jeweils 19.30 Uhr, erneut zu sehen ist. Weiteres unter theaterschiff-potsdam.de.

Die Ausstellung „Cluster“ ist bis 15. Juli in der Galerie Gute Stube des Potsdamer Kunstvereins, Charlottenstraße 121, zu sehen. Geöffnet ist montags von 10 bis 14 Uhr und am Wochenende von 15 bis 18 Uhr. 

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert