Wenn die Propagandamaschine läuft. „Von Luther zu Twitter“ im Deutschen Historischen Museum Berlin

Wie aus einer Bilderfabrik wirkt die Respekt gebietende Fülle von Luther-Porträts. Sie stammen von verschiedenen Künstlern und sind auf einer Wand in der Sonderausstellung „Von Luther zu Twitter“ im Deutschen Historischen Museum Berlin vereint. Anhand von rund 200 Objekten aus Deutschland, Österreich, Spanien, Großbritannien und China wollen die Kuratoren Melanie Lyon und Harald Welzer die wechselnden Möglichkeiten politischer Information, der Propaganda sowie der Manipulation sichtbar machen.

Luther in Fülle Foto: David von Becker

Von dem Naturforscher und Schriftsteller der Aufklärung, Georg Christoph Lichtenberg, stammt  der Aphorismus: „Mehr als das Blei in den Kugeln hat das Blei in den Setzkästen die Welt verändert“. Der Mann, der das Medienzeitalter eröffnete, war bekanntlich Johannes Gutenberg. Mit der Erfindung des Buchdrucks konnte man massenhaft Publikationen produzieren und zu günstigen Preisen verkaufen. Für Martin Luthers Reformation galt der Buchdruck als eine bedeutende Wende im Informations- und Kommunikationsgeschehen. Auch mehr Bildung konnte man damit erreichen. Der Reformator ließ Flugblätter und Pamphlete sowie 1522 seine Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche mit 5000 Exemplaren drucken. Im Hause der Malerfamilie Lucas Cranach in Wittenberg war man mit der ikonografischen Herstellung von Grafiken mit dem Porträt Luthers beschäftigt. Die Nachfragen nach solchen Bildern waren groß, denn schließlich wollte man sich ein Bild von dem berühmten Zeitgenossen machen. So wurde Luther der erste moderne Medienstar in der Geschichte. Der öffentliche Personenkult nahm seinen Anfang.

Anfänge der Radioübertragung: Radiohören beim Motorradfahren – 1928 – Originalaufnahme im Archiv von ullstein bild

Mit Bleilettern aus der Gutenberg-Werkstatt, mit einer Bibel von 1455 sowie einer nachgebauten Kanzel wird im Deutschen Historischen Museum auf den großen Medienwechsel zu Zeiten Gutenbergs und Luthers aufmerksam gemacht. Natürlich geht die Schau auch auf die Pressefreiheit und die Zensur im 19. Jahrhundert ein, so auf die „Medienrevolution“ von 1848/49, in der sich eine politisch-publizistische Öffentlichkeit von nationaler Weite entfaltete. Themen sind auch des Reichskanzlers Otto von Bismarcks mit Repressionen bedachte Pressepolitik sowie die Verbreitung des Kommunistischen Manifests. Anhand des Gemäldes „Die Emanzipierte“ von Johann Baptiste Reiter (1813 bis 1890) machen die Kuratoren auf die Forderung der Gleichbehandlung von Frauen aufmerksam. Das Bild zeigt die Berliner Schriftstellerin Louise Aston, die 1846 wegen Gottlosigkeit in ihren Schriften, des Tragens von Männerkleidung und öffentlichen Rauchens als „staatsgefährliche Person“ aus Berlin ausgewiesen wurde.

Das Radio  wurde für die Nationalsozialisten das Propagandainstrument Nummer Eins. Den „Volksempfänger“ fand man in fast jedem deutschen Haushalt. Das von Propagandaminister Joseph Goebbels persönlich kontrollierte Programm sollte die „Volksgenossen“ auf den Führer Hitler und seine verbrecherischen Vorhaben einschwören: „Die Phantasie muss alle Mittel und Methoden in Anspruch nehmen, um die neue Gesinnung modern, aktuell und interessant den breiten Massen zu Gehör zu bringen.“

Das Fernsehen wurde dann ab den 1960er Jahren zum Leitmedium gesellschaftlicher Kommunikation. Es wurde als „Fenster zur Welt“ bezeichnet. Die Wohnzimmer richtete man räumlich auf den Bildschirm aus und einzelne Sendungen wie die Tagesschau gehörten von nun an zum Ritus der Fernsehzuschauer. Die digitale Welt hat einen ähnlichen Status erreicht. Internet oder Twitter scheinen gegenwärtig alle anderen Medien in ihrer Wirksamkeit zu übertreffen. Der König des Twitters: US-Präsident Donald Trump. Er beleidigt und attackiert Bürger seines Landes, Regierende anderer Länder, erfindet Terroranschläge in Schweden und erklärt sich selbst zu einem der schlauesten Menschen überhaupt.

Kurator Harald Welzer: „Alle Menschen, die das Privileg haben, in einer Demokratie zu leben, müssen auch Verantwortung gegenüber dieser Demokratie tragen. Entscheidend ist die Frage, wie wir die technischen und kommunikativen Möglichkeiten des Internets nutzen, um unsere Demokratie zu erhalten und weiterzuentwickeln.“ Er wolle nicht dabei zusehen, dass die Trumps und Googles die Welt beherrschen. (Von Gastautor Klaus Büstrin)

Von Luther zu Twitter, Ausstellung im Deutschen Historischen Museum Berlin, Unter den Linden 2, bis 11. April 2021, täglich 10 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr. Informationen über fuehrung@dhm.de

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